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5. Newsletter Juli 2014
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Liebe Newsletterfreunde
Lange ist es her seit wir ein Lebenszeichen durch das Weite Web an Euch gesandt haben. Gute vier Monate sind verstrichen seit dem letzten Rundbrief. Schuld daran, wenn man dem so sagen will, ist Japan, ein Land, das uns nicht zur Ruhe kommen liess: Ständig auf Achse, ständig am Entdecken, Tag für Tag etwas Neues. Mit ein paar Episoden unserer Reise möchten wir Euch für dieses Land begeistern.
Zitterpartie
Es ist Anfang März, wir setzen Fuss auf Japan. Auch unser treuer Begleiter, der nimmer müde und allzeit verlässliche Toyota Landcruiser freut sich die Kälte Sibiriens hinter sich gelassen zu haben. Wir haben es mit einigem Zittern und viel Ungewissheit geschafft, das Auto temporär zu importieren und alle notwendigen Papiere für die Fahrt durch das Land der aufgehenden Sonne zu organisieren. Vor wenigen Tagen war das noch gar nicht klar, denn beim Studium der vielen Infos auf dem Internet, den Auskünften der Schweizer Botschaft und den Berichten anderer Reisender, war nicht auszumachen, ob wir mit unserem Auto hier überhaupt fahren dürfen. Doch dranbleiben, nicht locker lassen, ist eine Devise, der wir je länger desto mehr folgen, um unsere Reiseträume in Erfüllung gehen zu lassen.
Faszinierendes Land
Japan stand schon seit Jahrzehnten als Wunschdestination auf unserer Reiseliste, doch ohne eigenes Auto und somit auch Schlafmöglichkeit ist für uns eine lange Reise dorthin nicht durchführbar gewesen. Denn Japan sei ja soooo teuer, Äpfel für Fr. 20.- das Stück, Restaurants wo man unter 100.- nichts zu beissen bekommt und Cola teurer als Champagner. Alles Schwachsinn! Zum Glück, denn wir stellen sehr bald fest, dass alles, was wir benötigen, um ein gutes Stück günstiger als in der Schweiz ist und das sind für uns Langzeitreisende gute Aussichten.
Japan scheint noch so etwas wie eine Terra incognita zu sein: Alle meinen irgendetwas über das Land zu wissen, aber die wenigsten waren je dort, geschweige denn mit dem eigenen Auto. - Während unserer ganzen Reisezeit begegnen wir keinem einzigen fremdländischen Auto oder Motorrad!!! - Und so verbreiten sich Schauermärchen von Harikiri begehenden Einheimischen, wilden Samurais, gestressten Menschen, die 24 Stunden täglich arbeiten und eben dem hohen Preisniveau.Japan erleben wir vom ersten Tag an als das angenehmste, sicherste und vielleicht auch faszinierendste Land, welches wir unter den von uns (über den Daumen gepeilt) neunzig bereisten Ländern je erreicht haben.
Kein einziges mal gehupt
Okay, allerlei versetzt uns hier immer wieder in Staunen, oder wir begreifen nicht, was eigentlich abgeht: Wieso um Himmels Willen verbeugen sich die Tankwarte hundert Mal, wenn wir unseren Tank bei ihnen gefüllt haben? Sie lachen und winken uns, den Verkehr auf der Hauptstrasse abblockend, wie VIP Gäste zum sicheren Geleit auf die Strasse raus. Ist ja schon fast peinlich! Bis wir unserer Karre auf der Strasse haben ist die Schlange der Wartenden ziemlich lange geworden (nochmals peinlich). Wir machen uns auf ein Hupconcerto àla Milanese gefasst, doch was geschieht? Wie auf Kommando winken uns die Blockierten zu, verbeugen sich - so weit dies in einem japanischen Kleinwagen möglich ist -und wir dürfen die Strasse für uns allein in Anspruch nehmen!
Der besondere Ort
Ein besonderes Erlebnis, über das ich ansonsten keine Silbe verlieren würde, erwartet uns an einem ganz anderen Ort. Das Stille Örtchen. Ja, auch hier kommt man ins Staunen beziehungsweise gehörig ins Rotieren. Ich sitze da und frage mich, wie ich wohl wieder vom Hocker runter komme. Die Klobrille ist zwar angenehm geheizt und flauschig, doch den Rest des Lebens möchte ich hier trotzdem nicht verbringen. Wie auf Raumschiff Enterprise starren mich von der Wand ein Dutzend Knöpfe an, auf denen krakelige japanische Schriftzeichen prangen. Einer muss wohl gedrückt werden, um die Spülung zu betätigen. Doch welcher? Roter Knopf? Lieber nicht, das sieht nach Alarm aus. Also mal den mittleren versuchen: Huch, was ist denn das? Ein Heissluftgebläse pustet mich von hinten an, schnell wieder abstellen. Doch mit welchem Knopf? Egal, ich drück den nächsten. Wow, jetzt werde ich zum Schnauben des Föns mit Musik berieselt. Ich drücke einen weiteren Knopf. Wunderbar, das Gebläse verstummt. Es folgt, uff, was jetzt? Ein nicht gerade kalter Wasserstrahl mitten ins muffige Ziel. Ei, das ist ja ziemlich heiss, ob wohl die Knopfreihe mit plus und minus was bewirken wird? Bingo, bei Minus wird der Strahl merklich kühler. Jetzt wird mir auch langsam klar, weshalb da ein Männlein und ein Weiblein Symbol aufgezeichnet sind. Jede(r) wird da individuell geduscht! Toll! Also, ich werde noch immer gewaschen, langsam ist es aber genug. Beim nächsten Schritt schaffe ich es die Musik zu besänftigen, auch der Wasserstrahl erstirbt bald darauf. Doch, WIE SPÜHLE ICH HIER? Wie wäre es mit dem grossen Knopf gleich hinter mir an der Wand?
Vom Steckenbleiben und von Kehrtwenden
Bevor ich etwas zu den kulinarischen Köstlichkeiten dieses Landes erzähle (das passt ja an dieser Stelle wohl nicht gerade so gut rein), beschreibe ich Euch lieber ein oder zwei Fahrerlebnisse auf Japans Strassen. Wir haben ein GPS Navigationsgerät und ohne ein solches möchte ich hier keinen Tag unterwegs sein. Es ist unglaublich, wie viele Strassen es in diesem Land gibt. Sich durch den Strassen- und Autobahndschungel der Grossstädte einen Weg zu bahnen, erschöpft beinahe die Rechenleistung unseres Navigerätes. Ständig muss es neu planen, Anweisungen ausspucken und die richtige Spur über oder unter oder zwischen zwei-, drei- oder viergeschossigen Kunstbauten suchen. Fast schon Achterbahn fahren ist das.
Doch auf dem Land ist es nicht minder spannend unterwegs zu sein: Wir scheinen ein Talent dafür zu haben Ziele auszuwählen, welche, gelinde gesagt, eher schwer zu erreichen sind. Dass viele Bergstrassen wegen Erdrutschen oder auf Grund des noch immer liegenden winterlichen Schnees gesperrt sind, kann das Navi ja nicht wissen. Doch weshalb wir auf einspurigen Strässchen mitten durch die Reisfelder kurven müssen, leuchtet mir nicht immer ein. Irgendwann stecken wir auch auf einer Passtrasse fest, die Äste der Bäume hängen so tief runter - japanische Autos flitzen da schnell unten durch - doch unser hochbeiniges Gefährt hat keine Chance. Also Kehrtwende!
Zum Glück sind wir hier nicht mit einem Laster, wie zurzeit meine liebe Cousine in Südamerika, unterwegs, denn mit Laster ist hier mal gar nichts anzufangen. Die Strässchen sind gerade so breit, dass wir drauf passen, jedoch in den Kehren scheitern wir immer wieder. Vor, zurück und vor und zurück, bis wir es geschafft haben. Fantastisch!
Unser Auto scheint nicht nur die kurvigen Strassen anzuziehen, sondern auch die langsamsten und spektakulärsten: Wir gurken den ausgefransten Küstenlinien entlang, manchmal schaffen wir an einem Tag keine 80 km in luftiger Linie. Auf der einen Seite fällt das Gelände in den tosenden Pazifik ab, auf der anderen hangeln sich Betonkunstbauten weit in die Höhe, um das Abrutschen des Hanges zu vermeiden. Wer denkt, in den Alpen spannende Strassen fahren zu können, sollte mal hierher kommen.
Die coole Explosion
Nicht nur die Strassen verursachen etwas Nervenkitzel, nöda gibt es ja noch unzählige Vulkane. Und da geht auch ganz schön die Post ab! Gemütlich sitzen wir beim Kaffee, schauen auf die funkelnde See hinaus bis es unverhofft hinter uns knallt, als ob eine Granate eingeschlagen hat. Mein Gott sind die Japaner cool, denke ich, denn keiner dreht sich um oder rümpft die Nase. Nur wir zwei Langnasen springen wie von den Wespen gestochen auf, um abzuchecken was los ist. Der Sakurajima explodiert! Ja dieser sich über tausend Meter aus dem Meer erhebende Vulkan fliegt in die Luft! Ein greller Lichtblitz und erneut ein Knallen durchdringt unser Mark und Bein. Riesige Gasansammlungen explodieren und eine Staubfontäne jagt gen Himmel. Jurassic Park live! sage ich zu Kathrin. Was für uns ein mega cooles Gratiserlebnis ist, ist für die Kurznasen hier Alltag. Japan sitzt auf weiss ich nicht wie vielen aktiven Vulkanen, ist geplagt von Erdbeben und Tsunami-Attacken, aber die Japaner sind und bleiben ruhig und verlieren ihr Lächeln einfach nie! Hut ab!
Qualität, die unübertrefflich ist
Wir lieben das Essen in diesem faszinierenden Land. Neugierig bis zum letzten Reisetag, tauchen wir in die Regalreihen der Supermärkte ein. Keine Nutella, kein Uncle Bens Reis, keine Marsriegel, keine Fanta, keine Pringles, keine Milka, keine Chiquita Bananen versprühen den Charme der internationalen Foodgiganten. Japan ist Japan und hier gibt es japanische Produkte. Tausenderlei Softdrinks reihen sich im Kühlregal aneinander. Von keinem wissen wir, wie es schmecken könnte. Wir kaufen wie Neue-Welt-Entdecker (zwar nicht mit Glasmurmeln aber…) mit unseren Yen ein, was der Geldbeutel hergibt. Unbeschreiblich neue Geschmäcker verwöhnen unsere Gaumen. Keine Ahnung, ob es eher süss, säuerlich oder gar salzig schmeckt. Die Knabberregale, also die Regale wo das Knabberzeug steht, sind proppe voll mit undefinierbaren Kringeln, Wursterln, Schleiferln. Auch hier die Undefinierbarkeit, ob es süss oder salzig ist.
Sehr bald können wir auf Sashimi nicht mehr verzichten: Roher Fisch, roher Krevetten, rohe Tintenfisch, roher Fischrogen. Kein gammeliges Zeug, das die Nasenschleimhäute tetraplegisiert, nein alles so frisch, dass es noch zu zappeln scheint. Nie hätten wir geglaubt, dass ein rohes Stück Meeresgetier so lecker schmecken könnte. Keine buttrige Kräutersauce, kein Hollandaise-geschmier oder rahmige Betti Bossy Tunke von Nöten, um einen Gaumenzauber zu erleben. Vier Monate lang lassen wir uns von Japans absoluter Frischeküche verzaubern. Was man hier kauft ist von einer Qualität, von der man zuhause nur träumen kann. Keine harten Kiwis in der zweiten Lage des Früchtekörblis, keine versteckte Fettader unter dem rosa glänzenden Stück Fleisch, keine angegraute Erdbeere als Überraschung beim Durchwühlen des Harasslis, keine nur unter Supermarkt-Speziallicht so saftig wirkenden Steaks.
Das genaue Gegenteil der „Bella Italia“ Mentalität
Oh wie haben wir es geschätzt in keiner Weise übers Ohr gehauen zu werden. Wechselgeld nachzählen? Vergiss den Aufwand, es wird nicht falsch herausgegeben. Auto verrammeln? Wozu? Falls ein Japaner merken würde, dass unser Auto offen steht, stünde er eher Wache stehen bis wir zurückkommen, als dass er daran denken würde, unsere Wagentüre zu öffnen. Touristenpreis bezahlt? Ja klar doch, denn Touristen bezahlen hier manchmal nur die Hälfte gegenüber den Einheimischen! Handy über Nacht in der öffentlichen Toilette zum Aufladen zurücklassen? Logo, macht hier jeder!
Es ist nicht alleine die Sicherheit, die dieses Land so besucherfreundlich macht, es ist die Vielfalt die es bietet: Kulturgüter en masse, wunderbare Landschaften, tolle Reiserouten, nette Menschen, freies Campen, wo immer man will, günstige Lebenshaltungskosten, die kaum zu übertreffende Exotik des Essens und natürlich die Weite, der alles umgebenden, stets blau funkelnden See.
Wir hoffen Euch ein wenig Lust auf Japan gemacht zu haben. Und so sagen wir mit Gewissheit:
Auf Wiedersehen Nippon!
P.s.: Wir bereisten alles viel Hauptinseln Japans; Hokkaido, Shikoku, Honshu und Kyushu. Jede hat ihre Eigenheiten und zu sagen, welche die schönste ist, fällt uns schwer. Japan auf einen Besuch von Tokio und Kyoto zu beschränken wäre eine sträfliche Sünde, denn es bietet viel mehr als diese (zugegebenermassen) spannenden Städte. Es ist ein meist dünn besiedeltes, äusserst gebirgiges und ruhiges Land, welches seine Schönheiten erst beim zweiten Hingucken verrät. Die Bewohner sind stets hilfsbereit, lachen endlos viel und lieben es, fremde Besucher in ihrer scheuen Art zu beobachten. Wer tolerant ist und die Eigenarten der Japaner als Bereicherung seiner meist beengten Sehweise betrachtet, wird ein äusserst spannendes Reiseland entdecken können.
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