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Altai - die Schweiz Russlands, nur wilder und einsamer
Der sagenumwobene, von Europa so ferne und einst schwer erreichbare Altai zieht sich über das Vierländereck Kasachstan, Mongolei, China und Russland und liegt als nächstes auf Kathrin und Andreas' Route.
Von der kasachischen Grenze herkommend fahren meine zwei Gefährten auf kleinen Nebenstrassen in das Altaigebirge hinein und umgehen die grossen Bezirksstädte wie Barnaul, Bisk und Gorno-Altaysk. Der Kontrast zwischen dem schwach bevölkerten Norden Kasachstans und dem russischen Sibirien könnte nicht grösser sein. Kaum haben die Zwei die Grenze überschritten, ist das Land wieder bewirtschaftet, die Dörfer sind belebt und gepflegt. Es wird gebaut und gearbeitet und nichts deutet darauf hin, dass die Menschen in die Städte abwandern möchten wie es in Kasachstan nur allzu offensichtlich war.
Die Hügel in der Ferne sind bald erreicht, lassen aber noch keine Vorahnung auf ein Hochgebirge aufkommen, denn die Erhebungen sind stark bewaldet, eine üppige Vegetation breitet sich aus und die Strasse schlängelt sich gemütlich durch eine eher liebliche Gegend. Diese Landschaft zieht sich auch weiter als sie den berühmten Chuysky-Trakt erreichen, jene Verbindungsstrasse die durch das Altaigebirge und bis in die Mongolei hineinführt. Der Name lässt einen eine holprige, steinige Strasse aus der Pionierzeit erahnen. Umso erstaunter sind Kathrin und Andreas als sie bei Cherga auf eine perfekt geteerte Fernstrasse stossen! Mit Siebenmeilenstiefeln kann man heutzutage den Altai durchqueren.
Doch die Begeisterung im Landcruiser sinkt. Ich höre die Zwei lamentieren: "Wo ist denn hier das Urtümliche geblieben? Wo ist die Seele der Region, wo die guten Geister, welche die Berge bewohnen?"
Nach vielen Kilometern erreichen die Zwei den Katun-Fluss, den grössten Fluss der Region, bekannt für abenteuerliches Rafting. Schäumend tost das Wasser durch das breite Flussbett und bietet ein tolles Schauspiel. An seinem Ufer, wie auch an anderen Flüssen, gibt es einfache Camps mit kleinen Holzhüttchen, Plumsklo und grossen Wiesen für Zelte. Die Russen lieben es in ihrer freien Zeit in die Natur hinaus zu strömen. Sei es am Sonntag zum Pic-nic, zum Fischen, auf die Datscha oder in den Ferien zum Campen. Diese organisierten Camps sind gut besucht, aber noch mehr Russen sieht man wild zelten, an Flüssen oder Seeufern. Meist sind die Leute ganz unkompliziert unterwegs; mit einem Zelt das oft schief steht, einer Wolldecke zum drauf sitzen und einem Grill für die heiss geliebten Schaschlik. Wenn es luxuriöser wird, ist noch ein Klapptisch und Klapphocker dabei. Bleiben die Leute mehrere Tage, wird ein Loch ausgehoben, vier Äste in den Boden getrieben und mit einem Plastik oder Tuch darum ist ein Plumsklo entstanden. Somit wäre ja jedes Camp sauber, könnte man meinen, doch leider sind die Russen mit dem Abfall nicht gleich sorgfältig wie mit den Fäkalien. Flaschen, Dosen und Plastik werden - manchmal sogar feinsäuberlich in einer Tüte verpackt - überall liegengelassen.
Ich als Frosch frage mich, ob die alle auf einem Auge blind sind, oder ob die einfach den Abfall ausblenden können, wenn sie selbst an solch einen verschmutzten Platz kommen?
Auf Gutglück biegt Andreas in Aktash, nur noch etwa 150 Kilometer von der mongolischen Grenze entfernt, auf eine Nebenstrasse ein. Etwa nach dem Motto: "Mal schauen was da kommt" folgen sie der Strasse die auf einen Pass führt und dann auf ein Seenplateau. Auf der Karte sind Dutzende von Seen eingezeichnet. Ein paar sind über kleine Schlammstrasse zu erreichen, andere nur zu Fuss. Wie Perlen liegen sie in der teils waldigen Landschaft. Bei Fischern kauft Kathrin frisch gefangenen Fisch
Die Strasse zieht sich weiter durch riesige Waldgebiete, vorbei an schmucken Dörfern, die in lang gezogenen Tälern liegen. Am Wegesrand liegen Kurgane, das sind alte Grabstätten aus der Zeit um Christi Geburt. Heute sieht man riesige, flache Steinhaufen, die in der Mitte eingefallen sind.
Nach einem Tag Fahrt stehen meine zwei Gefährten plötzlich am Rande eines tiefen Canyons, welcher bis zum Teletskoe-See weiter im Norden reicht. Eine Strasse führt hinunter zum wilden Fluss und diesem entlang, zum Teil auf kühn gebauter Trassée. Erst ist das Tal sehr trocken, doch je näher man dem See kommt, desto feuchter und vegetationsreicher wird die Gegend. Ein paar einsame Farmen und drei Dörfer liegen am Wegesrand bevor man den See erreicht, ein langes, tiefes Gewässer. Ein paar Häuser am anderen Ufer erinnern an den Walensee mit dem Dorf Quinten ohne Zubringerstrasse.
Beflügelt von diesem fantastischen Ausflug in ein Seitental, folgen noch etliche andere Abstecher. Schlussendlich läppern sich so sehr viele Kilometer zusammen, denn die meisten Seitentäler sind Sackgassen, welche man hinein- und wieder herausfahren muss. Doch hier findet man den ursprünglichen Altai. Unberührte Landschaften, urtümliche Dörfer, heilige Stätten, die mit Stoffbändeln behangen werden und eine mystische Atmosphäre ausstrahlen.
Zu Fuss ist diese Region fast nicht zu erkunden, denn Wanderwege gibt es im Schweizerischen Sinne keine. Man müsste sich durch undurchdringliche Wälder schlagen, Tälern folgen und hoffen, den richtigen Übergang zum nächsten Tal zu finden. Das Kartenmaterial ist dürftig, man wäre also auf einen Führer angewiesen und müsste sich auf eine Woche vollkommene Wildnis einstellen.
Typisch für die Gemeinden im Altai sind die im Dorf grasenden Kühe und die grossen Gemüsegärten. Immer ist das grösste Beet den Kartoffeln vorbehalten. Die Häuser sind oft aus Holzbalken mit verzierten Fensterrahmen und Giebeln. Neuere Bauten haben ein farbiges Dach, meist blau, oft auch grün oder rot. Fast alle Dörfer (übrigens nicht nur im Altai, sondern in den meisten Teilen Russlands) haben noch keine Kanalisation, in jedem Garten steht ein Plumsklo. Und in vielen Dörfern muss das Wasser noch an einer Pumpe auf der Strasse geholt werden. Für Kathrin und Andreas hat das den Vorteil, dass sie immer wieder ihre Wassertanks im Auto auffüllen können. Praktisch jedes Dorf hat ein „Magasin“, es ist erstaunlich was man in diesen kleinen Geschäften alles kaufen kann. Oft ist dies zwar etwas mühsam, denn im noch alten Stil steht eine Verkäuferin hinter dem Tresen, man sagt was man gerne hätte und sie kramt es aus den Regalen oder aus dem Hinterstübchen hervor. Frischfleisch gibt es meist nicht, aber tiefgekühlt gibt es Pouletschenkel oder Rindsragout oder auch Fische zu kaufen, und natürlich Glacé. Oft ist nicht alles schön verpackt, liegt in Klarsichtfolie eingewickelt in der Truhe.
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