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Alptraum Reisen.../...organisierte Touren.....
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Teil 1 / Teil 2
Ein paar Gedanken zum organisierten Tourismus I
Zwei organisierte Touren, welche wir in Peru unternahmen, verdeutlichten uns mit aller Klarheit, dass diese Art des Reisens für uns (in fast allen Belangen) nicht in Frage kommt, und dass wir diesen Reisestil auch nicht verantworten können und wollen. Erstere Tour war ein so genanntes Trecking in der Cordillera Blanca, letztere eine Urwaldtour im Amazonasgebiet. Ich möchte zuerst in halbwegs kurzer Form vom Amazonaserlebnis schreiben, bevor ich mich in ausführlichen Worten zur Treckingtour äussere.
Wir entschieden uns für Amazonian Trips, einem der unzähligen Reiseveranstalter Iquitos, welche ein- oder mehrtägige Ausflüge in den peruanischen Urwald anbieten. Wir pilgern in ein halbes Dutzend Büros, um uns über die feilgebotenen Angebote zu informieren. Sehr bald stellt sich heraus, dass der unberührte Amazonaswald nur flussaufwärts von Iquitos zu finden sei. Flussabwärts wäre nur Sekundärwald zu erreichen, da das Gebiet stark von der Landwirtschaft geprägt sei. Jede Tour bietet Spaziergänge in den Urwald, Kanufahrten, Fluss-Delphin Sichtungen, Zelten und Nachtwanderungen an. Den Zeitraum, den man im Urwald verbringen wolle, könnte man selber bestimmen.käme noch eigenständiges Reisen in Frage. Doch verfügen wir weder über Ortskenntnisse noch über den scharfen Blick eines einheimischen Führers, der uns die Wildnis näher bringen könnte. So kommt für uns nur die organisierte Tour in Frage.
Amazonian Trips verspricht, dass wir per Schnellboot 100km flussaufwärts führen und dort, fern ab der Zivilisation, eine Lodge inmitten des Urwaldes vorfänden. Im Reisebüro sagt uns der Besitzer, Manager oder was auch immer, dass an diesem Flussabschnitt nur er eine Lodge besässe und die Location somit auch noch exklusiv und unberührt sei. Selbstverständlich sei ausflugstechnisch immer etwas los, unzählige Wanderungen, Kanutrips und dergleichen, und sechs lokale Führer stünden uns zur Verfügung. Gerne können wir unsere Wünsche anbringen und wir seien mit der Tagesgestaltung frei.darauf geht unsere Tour mit 45 minütiger Verspätung los. Per Motokar (Dreiradtaxi) fahren wir zum Hafen, wo wir erst mal auf weitere Touris warten. Recht bald treffen die ein und unser Speedboot legt auch kurz darauf ab. Bequem donnern wir den Fluss hoch.kleinen Seitenfluss, der zu unserer El Chullachaqui Eco Lodge führt, ist für das Schnellboot nicht navigierbar, da der Wasserstand zu dieser Jahreszeit sehr niedrig ist. So legen wir die letzte Strecke innert 25 Minuten zu Fuss zurück, was uns dann auch etwas „out in the bush“ Gefühl vermittelt. Leider ist durch den niedrigen Wasserstand das Flussbett zu einem schlammig, morastigem Rinnsal verkommen, nicht gerade ein schöner Anblick, aber so ist halt die Natur.
Die Eco Lodge macht aus der Ferne einen schönen Eindruck: Palmblatt gedeckte Häuser, Stege auf Stelzen, in einer Licht durchfluteten Lichtung. Doch zweierlei stellte sich als Trugschluss heraus. Erstens ist die zurückgelegte Distanz von Iquitos nur 55km und zweitens ist die Unterkunft ein liebloser, recht primitiver Bretterverschlag. Die löchrigen Moskitonetze, mit denen man versucht die Steckviecher fern zu halten, sind genau so marode wie die sanitären Anlagen. Kein Pflänzlein ziert die Lodge, gerade mal vier gammlige Hängematten sind für die 20 potentiellen Bewohner als Ruhemöglichkeit aufgespannt. Im Speisesaal sitzt man auf im „rustico Stil“ gehaltenen hölzernen Bänken, das Tischtuch ist bedenklich ungewaschen. Die Korbstühle versprechen etwa Komfort, sind aber ebenso unbequem und knochenhart wie der einzige „Liegestuhl“ auf der Terrasse - ein hurtig zusammengenageltes Etwas, auf dem man schlichtweg nicht sitzen kann. Unser Zimmer ist mit Privatbad der Kategorie Luxus zuzuordnen. Es besteht aus zwei Betten (frisch bezogen) und einen Nachttopftischchen. Absolut keine Möglichkeit sonst wo etwas hinzulegen oder aufzuhängen. Nicht einmal ein simpler Nagel ist in die Wand geschlagen. Die billigeren Zimmer ohne Bad, sind ein Drittel so gross und nur gerade zwei Betten sind dort vorzufinden.
Es bräuchte weder grosse finanzielle Mittel noch endlos viel Arbeit etwas Ansprechendes aus der Lodge zu machen. Mehr Hängematten, Sitzgelegenheiten mit Kissen drauf, ein Ablagebrett im Zimmer, eine aufgeschnittene Petflasche mit einem Pflänzchen drin, eine Sitzgelegenheit auf der Aussichtsterrasse, vielleicht sogar ein Bild, eine ortstypische Maske oder Schnitzerei an der Wand und schon sähe alles viel ansprechender aus.
Unser erster zweistündiger Ausflug in den uns umgebenden Dschungel wirft die Sichtung eines Äffchens, das in weiter Ferne durch den Blätterwald huscht, ab. Die Nachtwanderung mit dem versprochenen Titel „bis Mitternacht im Dschungel unterwegs“ dauert eine Stunde, ist um 21:00 Uhr zu Ende und mit der Ausbeute eines Frosches, zweier Vogelspinnen und zahlreicher Ameisen, nicht gerade eine faunatechnische Sensation.
Wir freuen uns dann halt auf die Vogeltour am kommenden Morgen. Noch in der Dunkelheit soll es losgehen, doch wie kann das funktionieren, wenn der Führer uns auf 6:00 Uhr bestellt und die Sonne bereits um 5:30 Uhr aufgeht? Wir latschen dem fast ausgetrockneten Seitenfluss entlang, doch mit einem einzigen Fernglas ausgerüstet (es habe Ferngläser für die ganze Gruppe, hiess es), ist die Beobachtung eher schwierig. Nun dann, Vögel sehen wir gerade mal fünf Arten, genau diese, welche eh den ganzen Tag um die Lodge schwirren. Der Führer kann uns zwar deren Namen auf Spanisch und Englisch verraten, doch zweifeln wir, ob dies auch stimmt.
Unsere Mahlzeiten sind nicht gerade von der viel gepriesenen, abwechslungsreichen peruanischen Küche beeinflusst. Es fehlt gänzlich an der Vielfalt, die der Dschungel hervorbringt. Frühstück besteht aus 3-4 Scheiben weissen Toastbrotes, zweier fraglich gekühlten Scheiben Aufschnitt, ein bis zwei Eiern und einer Scheibe Schieblettenkäse. Mittags und abends gibt es natürlich viel Reis, mal `ne Kartoffel, fast immer gebratenes Huhn und stets eine Platte mit Gurken, Tomaten und Palmherzen. Der Fruchtsaft aus der Tüte ist so etwa der kulinarische Höhepunkt.Nachmittagstouren sind die vollendeten „Highlights“: Bei ersterer beglückt uns ein Rudel Äffchen, eine Schlange, ein in ein Käfig gesperrtes Faultier nebst zwei Käfern, vielen Ameisen und einer weiteren Vogelspinne.
Zweite Expedition führt uns an einen recht schönen See, in dem wir auf Jagd nach Pinranhas gehen. Die Fische, die wir an Land ziehen sind Kinderhand gross, womöglich liegt es an der Sorte oder auch daran, dass wir die letzten Jungfische aus dem See ziehen. Unser Führer und einige unserer Gruppe freuen sich jedoch über die Beute, wir ziehen es vor, die Snacks wieder schwimmen zu lassen.
Es benötigt gehörigen Druck von unserer Gruppe unseren Führer dazu zu bewegen, zwischen den Ausflügen nicht endlos lange Pausen einzubauen. Womöglich liegt es an seiner mitgebrachten Freundin, dass er sich nicht so aktiv zeigt. Auf unser Drängen hin sind wir dann doch wenigstens viel unterwegs. Trotz all unserer Unternehmungslust wird aus den versprochen Flussdelphinen, von denen es verschiedene Arten geben soll, rein gar nichts. Unsere Bootsfahrt auf dem Hauptfluss verläuft sichtungslos. Hingegen erspähen wir vom Wasser aus, wie auch auf unseren Fussmärschen immer wieder kleine Ansiedlungen, Felder und Fischernetze.
Dass unsere Lodge fernab der Zivilisation sei, ist eine glatte Lüge, unterstrichen wird dies durch fern klingende Musik, die von einem Dorffest des Nachts bis zu uns herüber klingt. Und unsere Nächte sind lang, denn der Stromgenerator (wir könnten dann unsere Computer, Handys oder was auch immer aufladen ist auch nicht möglich, beziehungsweise wird uns nicht plausibel gemacht wie es durchführbar wäre) dröhnt während der Abendessenszeit gleich unter dem Nachbargebäude. Er dient dazu fünf Glühbirnen im Speise- und Hängemattensaal zu erhellen. Unsere Zimmer suhlen sich in Dunkelheit.
Also, dass man nicht auf Safari in Tansania sein würde, war mir schon klar. Der Urwald ist erstens zu dicht, dass einem Herden von Tiere über den Weg laufen und zweitens benötigt man mehr als drei Tage, um die grossen Brocken sichten zu können. Doch von unserem Führer hätte ich einiges mehr erwartet. Er latscht recht unmotiviert durch den Wald und gibt unterm Stich vielleicht zwei handvoll Informationen von sich. Dass es auch gänzlich anders sein kann, haben wir während den Besichtigungen peruanischer Ruinen und Museen erlebt, denn dort waren die Führer durchwegs kompetent und strotzten vor Wissen. Schade ist, dass uns im Tourbüro das Blaue vom Himmel versprochen wurde, wie toll die Eco Lodge sei, was man alles unternehmen werde und wie viele Tiere es noch an dieser „unique Location“ gäbe.
Was an der Lodge „eco“ sein soll, weiss ich nicht genau, wohl kaum die Abfall-Verbrennungsgrube, in der man versucht Glas und Aludosen loszuwerden. Etwas dreist empfanden wir auch das unübersehbar aufgestellte Schild im Speisesaal, mit dem man schon bei Ankunft darauf hingewiesen wurde, dass man dann ja nicht die Trinkgelder vergessen solle!
Womöglich liegt es an unserer Reiseerfahrung, die uns wissen lässt, dass es auch anders sein könnte. Womöglich sind unsere Ansprüche viel zu hoch, womöglich trübt unser kritischer Blick die Reisefreude. Doch ich zweifle sehr daran, dass es an uns liegt, denn mit Soles 1050.- (was CHF 350.- entspricht) war die Tour für peruanische Verhältnisse nicht vom billigsten und somit von uns nicht unterbezahlt. Eine andere Erklärung, die unsere negative Beurteilung entstehen lässt, beruht auf einer weiteren Beobachtung, die ich hier abschliessend erwähnen möchte: Wir waren sehr überrascht wie touristisch Iquitos ist. Unzählige Hotels buhlen um die Touristen, welche aus wahrlich allen Ecken dieser Welt
hierher reisen. Kaum eine Sprache, die wir nicht gehört hätten. Dies führte dazu, dass, wie sonst in keinem von uns besuchten Ort in Peru, versucht wurde, uns übers Ohr zu hauen. Taxifahrer verlangten das Doppelte, Kommissionsjäger lauerten vor Hotels und Tourbüros und Geldwechsler spürten uns in dunklen Ecken auf. Englische Menüs lagen in Restaurants auf, kaum einmal wurden wir auf Spanisch gegrüsst und am Malecon hingen die Touristen traubenweise in den überteuerten Restaurants und wurden von Strassenverkäufern mit Ramsch umlagert. Dass in Iquitos allerlei komische eingewanderte Gestalten herumhängen, ist offensichtlich und auch den Abschaum unserer westlichen Welt scheint es hierher verschlagen zu haben. Denn wie sonst sind die allerorts angenagelten Infotafeln zu verstehen, dass Sex mit Minderjährigen mit Gefängnis bestraft wird?
Um es vielleicht etwas überspitzt auf den Punkt zu bringen: Hier in Iquitos versammelt sich die 0-8-15 Tourigemeinde, die es liebt in der Tropenhitze am eisigen Pisco Sour zu nippen, sich an Hamburgern ergötzt, es so geil findet, wenn er sein Selfie mit angeketteten Affen schiessen kann und seine Urwaldtrip-Ansprüche sehr oberflächlich zu befriedigen sind. Für uns zeigte sich, dass wir nicht für von Touristen überlaufene Orte geschaffen sind, und dass organisierte Touren für uns nur mit tiefer Enttäuschung enden.
Gedanken zu unserer Treckingtour in der Cordillera Blanca
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