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Tasmanien
die grüne Perle im Südmeer
Februar & März 2015
Ja, nun hört Ihr endlich wieder einmal von mir. Aus meinem ambitionierten Vorsatz öfters zu schreiben ist nicht viel geworden und ihr müsst Euch leider mit meiner rationierten Berichterstattung zufrieden geben. Am Internetzugang liegt es seit Januar nicht, denn Australien ist an der östlichen Südküste sowie auch in Tasmanien gut vernetzt, da es meist um einiges dichter besiedelt ist als das grosse, leere Westaustralien
Aber ich bin eben nur ein Frosch und kein geborener Schriftsteller, der die Worte leichtens aus dem Ärmel schütteln kann.
Zwei Jahre „on the road“
Ob Ihr es glaubt oder nicht, aber Kathrin und Andreas haben auch nach zwei Jahren Unterwegssein - am 2. April war es soweit - noch ungebremste Reiselust und es zieht sie jeden Tag ein Stück voran. Die Lust Neues und Unbekanntes kennen zu lernen und anzuschauen ist ungebrochen. Kaum einmal übernachten sie zwei Nächte oder mehr am selben Ort. Trotzdem müsst Ihr Euch ihren Alltag nicht hektisch vorstellen. Sie fahren nicht täglich hunderte von Kilometer, aber eben doch immer ein kleines Stück weiter, um neue Eindrücke einfangen zu können. Rumhängen und Faulenzen ist zwar 'was für mich, aber leider bin ich mit diesen Neigungen der einzige im Trio.
Wir drei stehen meist noch vor Sonnenaufgang auf, denn die frühen Morgenstunden sind die schönsten. Dies ist die Zeit ohne Lärm und Hektik, es sind noch kaum Menschen unterwegs, dafür kann man bestens dem Gesang der Vögel lauschen. Wir nützen die Tage in ihrer vollen Länge und es bleibt nebst all dem „Sightseeing“ genügend Zeit zum Lesen, Reflektieren, Wandern oder etwas leckeres Kochen.
Hält Tasmanien was es verspricht?
Über Tasmanien hören Kathrin und Andreas schon seit langem nur Gutes und dies stets in superlativen Schilderungen. Über so viel Schwärmerei und Überschwang der Australier werden Kathrin und Andreas etwas skeptisch. Ob dies wohl alles zutreffen kann? Sie sind sich daher nicht sicher, ob es eine gute Idee ist nach Tasmanien zu reisen, ist dies doch mit einer kostenintensiven Verschiffung verbunden.
Wird ihnen diese südliche Insel gefallen? Sieht sie vielleicht der Schweiz gar zu ähnlich, mit Bergen, Wäldern und Seen? Ist sie touristisch total überlaufen und finden sie kaum mehr ruhige Übernachtungsplätzchen? Wirkt sie auf die Australier einfach so wunderschön weil sie im Vergleich zum Festland so unendlich grün ist? Oder weil in Tasmanien die Welt noch in Ordnung scheint - in den Städtchen keine Hektik herrscht, das Gemüse biologisch angepflanzt ist, das Wasser so sauber ist, dass man es direkt aus dem Bach trinken kann und die Bewohner ihre Häuser nicht abschliessen?
Trotz all dieser offenen Fragen, buchen meine zwei Reisegefährten die Überfahrt für uns drei und das Auto nach Devonport im Norden Tasmaniens, allerdings erstmal ohne Rückfahrt. Zuerst wollen sie sich etwas umschauen und dann entscheiden, ob sie vier, sechs oder gar mehr Wochen bleiben. Mit etwas Glück ergattern sie eine Fahrt während des Tages, was die günstigste Variante ist, denn man braucht keine Kabine und keinen Schlafsitz.
Auf hoher See
Die See ist relativ rau an diesem Montagmorgen des 9. Februars 2015 und die Überfahrt zieht sich in die Länge, da beide bei dem Geschaukel nicht lesen können ohne dass ihnen schlecht wird.
Ein warmes Nachtessen oder einen Tee gibt es am ersten tasmanischen Abend nicht, denn der Kocher passt nicht an die neu erstandene Gasflasche. Die Gasflasche mussten sie erstehen, weil
die Australier unsere gute europäische Gasflasche nicht auf dem Schiff transportieren, da sie nicht nach australischem Standard genormt ist. So waren wir gezwungen sie bei Freunden in Melbourne zu lassen. Es lebe die Bürokratie!
Am ersten Übernachtungsplatz will sich Andreas in die Reihe der unzähligen Wohnmobile und Traveller stellen, da öffnet der künftige Nachbar seine Wohnmobiltüre und ruft mit unverkennbarem Deutschem Akzent ins Dunkel: „aber nicht hier Herrgott nochmals, weiter drüben ist genug Platz“ und noch weiteren Schwachsinn. Was für ein netter Willkommensgruss! Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt als die zwei endlich in die Federn kriechen.
Der wilde Westen Tasmaniens
Zwei Tage später ist aller Ärger vergessen oder zumindest in die hinterste Ecke des Gedächtnises geschoben und Kathrin und Andreas beginnen Tasmanien zu mögen. Anderthalb mal so gross wie die Schweiz ist diese Insel, aber nur 500'000 Menschen leben hier. Ihr könnt Euch vorstellen, wie viel Platz da übrig bleibt für Wildnis mit urtümlichen Wäldern, rauen Bergen und hunderten von Seen.
An der Westküste ist das Meer ungestüm und so wild wie wir es noch nirgends sonst gesehen haben. Lange Sandstrände sind rar, mehrheitlich finden wir kleine Buchten, eingerahmt von grossen Steinbrocken oder Abschnitte mit fantastischen Felsen, an welchen sich die riesigen Wellen brechen. Der Wind weht hier für einmal nicht vom Meer her ans Land, sondern gerade in umgekehrter Richtung vom Lande her auf den Ozean hinaus. So stiebt die Gischt der sich brechenden Wellen, bevor sie an den Strand rollt, rückwärts aufs Meer hinaus - ein phänomenales Schauspiel.
Weit oben auf den Felsen liegt eine Unmenge ausgebleichten Treibholzes, nebst Ästen und Wurzeln auch ganze Stämme, die erahnen lassen, dass das heutige Wellenspiel nur eine leichte Variante, der hier in den 40-sten Breitengraden gefürchteten Stürme, zeigt.
Kelp (das ist eine grossblättrige lederige Meerepflanze) gedeiht als riesiger Unterwasserwald, der in langen Lianen an die Meeresoberfläche wächst, an den Küsten Tasmanien noch ungestört von Umwelt- und anderen Umwelteinflüssen. Kelp wird - heute allerdings nur noch an wenigen Orten - geerntet, getrocknet und nach Asien verkauft, wo es unter anderem als Suppeneinlage verwendet wird. Hier nun liegen von der rauen See entwurzelte Stränge zwischen den Felsen und an den Stränden und verrotten langsam.
Auf kleinen Stichstrassen steuern wir mit unserem Landcruiser immer wieder die Küste an. An einigen Stellen finden wir einfache Fischerhäuschen und schäbige Ferienhütten vor, die sich in die Dünen oder an die Felsen ducken. Oft stehen noch die Überreste eines alten Piers, von welchem vor 100 Jahren Holz oder andere Rohstoffe abtransportiert wurden. Im Hinterland verbargen sich einst mehr oder weniger reiche Vorkommen an Silber, Gold, und Blei. Forscher und Entdecker kämpften sich durch unwegsames Gebiet auf der Suche nach Bodenschätzen und Weideland. Gefangene und Siedler folgten und legten Eisenbahnlinien und Wege durch den dichten Dschungel. Die Unwegsamkeit des Geländes - heute noch zur Genüge abseits der Strassen und Pisten vorhanden - ist nur schwer vorstellbar. Auf guten Pisten kurven wir durch die Gegend immer auf sicherer Distanz zu dieser unnahbaren und unberührten Wildnis.
Was des Wanderers Herz begehrt…
Erst als Kathrin und Andreas Wanderungen unternehmen, erleben sie was Wildnis hier in Tasmanien wirklich heisst. Das eindrücklichste Erlebnis ist die Zweitageswanderung zum Frenchmans Cap im Herzen der Insel. Die meisten würden diesen Ausflug in drei oder gar vier Tage aufteilen, aber ihr kennt ja meine zwei Weitwanderer, die wollen sich nicht schon nach kurzen Tagesetappen von vier, fünf Stunden in einer Hütte ausbreiten und den Rest des Tages faulenzen oder ein mühsam mitgeschlepptes Buch lesen. Das Motto ihres Wanderstils ist nach all den Jahren immer noch: Leicht und mit minimalem Gepäck, dafür mühelos vorwärts kommen und unschweren Fusses die Landschaft erleben.
Der Wanderweg zur Granitkuppel des Frenchmans Cap ist extrem vielfältig, er führt zuerst durch den in Australien unvermeidbaren aber nichts desto trotz spannenden Eukalyptuswald, dann auf Holzstegen über feuchtes, mooriges Heideland mit weiter Sicht in die Berge um Handkerum in einem dunklen, nassen Regenwald fortzuführen.
Steil schlängelt sich der Pfad - falls man das überhaupt noch Pfad nennen kann - den Berg hoch, über Wurzeln und grosse Steine, durch dichte Vegetation. Eine Unmenge von verschiedenen Pflanzen vereint sich zu einem richtigen Dschungel, Farne und Moose zeugen von viel Regen.
Auf dem Baron Pass, einer Krete, die von fast senkrechten Felsen gebildet wird, hat die steile Kraxelei erstmal ein Ende und eine Verschnaufpause verhilft zu neuen Kräften. Kaum zu glauben, dass der Wanderweg auf diesen schmalen Grat von Felssäulen hinaufführt - ob es wohl nicht einen einfacheren Weg zum 1440 Meter hohen Frenchmans Cap geben würde?
Tief unten im Tal liegt eine betörend schöne Landschaft mit mehreren Seen und dichtem Urwald, welche mit keiner Strasse zu erreichen ist. Würde man hier mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug abspringen, hätte man die allergrösste Mühe in die Zivilisation zurückzufinden.
Kathrin und Andreas klettern weiter, dem Grat entlang und durch felsiges Gebiet bis an den Fuss des gewaltigen Felsendomes, an welchem ein hübscher kleiner See, nach den Anstrengungen des Tages, ein erfrischendes Bad spendet.
Hochgebirge schon ab 1000 Meter über Meer
Unter den unzähligen spannenden Wanderungen möchte ich eine weitere herausheben von der mir Kathrin und Andreas vorgeschwärmt haben. Ich ziehe es jeweils vor, das Auto zu bewachen, anstatt mir meine Latschen wund zu hüpfen: Im Mount Field Nationalpark begnügen sich die meisten Touristen mit einem zwanzigminütigen Spaziergang zu einem Wasserfall, welcher zwar ganz hübsch ist, aber es gibt Wasserfälle zuhauf in Tasmanien, und irgendwann will man keine fallenden Wasser mehr sehen.
Fährt man aber weiter zum Dobson See auf 1000 Meter hoch, steht man am Rande eines alpinen Hochplateaus mit unzähligen kleinen Seen und moorigen Tümpeln. Wie auf einer Halskette aufgezogen liegen sie aneinander gereiht. Die Wasseroberfläche ist spiegelglatt, so dass sich die Berge und die Vegetation ringsherum reflektieren. In kleinen Tümpeln wächst Gras und das eine oder andere zarte Pflänzlein. Dazwischen tummeln sich Kaulquappen - eine magische Miniunterwasserwelt!
Wolken werden um die Berggipfel getrieben, Nebelschwaden steigen auf und zwischendurch schiesst ein Sonnenstrahl durch das Grau. Es herrscht eine fantastische Stimmung. Dick eingepackt wandern meine zwei auf Holzstegen über moorige Wiesen, erklimmen kleine Pässe um dann von oben herab die überaus attraktive Landschaft zu bestaunen.
Das gezähmte Tasmanien
Den südlichen Zipfel Tasmaniens könnte man als Obstgarten bezeichnen. Es wird Landwirtschaft im kleinen Stil betrieben. Rebberge reihen sich an Apfel- und Birnenhaine, Erdbeerfelder und Himbeergärten wechseln sich mit Gemüsefeldern ab. Zwischendurch immer wieder Kuh- und Schafherden in sanfter hügeliger Landschaft. Andreas fühlt sich nach Neuseeland versetzt, dort hat es, zumindest vor 20 Jahren, sehr ähnlich ausgesehen. In den kleinen Ortschaften werden die frischen Produkte in Buden zum Verkauf angeboten. Das Meer bringt Austern und andere Muscheln hervor, welche man fangfrisch geniessen kann. Äpfel und Brombeeren wachsen wild am Strassenrand und alle paar Tage sammeln die Zwei frische Beeren und pflücken ein paar Äpfel. Kathrin, die Früchte und Gemüse liebt, schwebt im Siebten Himmel.
Die Städte und Dörfer sind verschlafen und gemütlich, selbst Hobart, die Hauptstadt ist eher eine Provinzstadt. Zwar bietet sie Museen, Ausstellungen und eine für Australien ungewöhnlich lebendige und gemütliche Beizenszene, aber der Verkehr bleibt den ganzen Tag über ruhig und gemächlich - sogar im Zentrum findet man Parkmöglichkeiten und das zu allen Tageszeiten. Hübsche kleine Geschäfte säumen die Strassen der Altstadt und am Hafen kann man frischen Fisch essen.
Im Osten Tasmaniens reiht sich eine Kette hübscher Orte der Küste entlang. Sie wechseln sich ab mit dramatischen Küstenlandschaften, die von steilen Klippen, wilden Kaps und weissen Sandstränden geprägt sind. Da die Ostküste gut erschlossen ist mit Strassen, Campingmöglichkeiten und Touristengeschäften sowie Cafés und Eisbuden, wimmelt es hier von Touristen. Und dementsprechend werden auch vielerorts Bootsfahrten und andere Touristenattraktionen angeboten. Von der Geistertour auf einem historischen Gefängnisgelände über Irrgärten bis hin zu eingesperrten Tieren gibt es alles. Und doch können Kathrin und Andreas dem Rummel meist ausweichen und finden immer wieder ein einsames Plätzchen nach ihrem Geschmack.
Regen, Wind, Sonne, Schnee, Graupel, Hitze und Kälte
Unabänderbar sind allerdings das Wetter und die Temperaturen. Und obwohl ich mich normalerweise nicht über so banale Themen wie dieses auslasse, muss ich Folgendes anmerken: Kathrin und Andreas sind bewusst im Februar nach Tasmanien gereist, um der sommerlichen Hitze auf dem Festland zu entgehen. Aber bestimmt hatten sie nicht erwartet, hier die Winterkleider auspacken zu müssen. Ich kann Euch verraten, dass ich Kathrin mit langen Unterhosen ertappt habe und Andreas hat sich des Öfteren in seine Daunenjacke gekuschelt und die Flieskappe tief über die Ohren gezogen! Somit wurde oft nichts aus den gemütlichen Feuerchen am Abend, weil es schlichtweg zu kalt war, um draussen rum zu sitzen.
Hat sich Tasmanien gelohnt?
Nun, letztendlich verbrachten wir sieben Wochen in Tasmanien und jeder Tag war es wert hier zu sein. Am eindrücklichsten ist bestimmt die Wildheit der Insel mit ihren vielen Nationalparks und den grossen Flächen unberührter, echter Wildnis. Einsame Strassen führen in geschützte Gebiete, von wo aus man nur zu Fuss noch tiefer in die Urwälder eindringen kann. Zwei Wochen benötigt man so zum Beispiel um den Southwest Nationalpark zu durchqueren, wenn man denn genügend Lebensmittel tragen kann. Und dann sind da noch die riesigen unerforschten Gebiete links und rechts dieser einsamen Wanderwege. Es ist schlichtweg unvorstellbar, was sich hier noch alles entdecken lässt.
Im Zentrum der Insel gibt es Gebirge und alpine Hochplateaus, die man auf einigermassen guten Strasse oder Schotterpiste erreichen kann. Der Wechsel der Vegetationszonen ist extrem. Man startet in dichtem, üppigen Regenwald mit Moosen, Farnen und Grassbäumen, wobei am eindrücklichsten die majestätischen Baumfarne mit ihren oft verkohlten Stämmen und langen Blattwedeln sind. Es folgt der Eukalyptuswald mit zig verschiedenen Arten, denn Eukalyptus ist nur ein Überbegriff: Da sind zum Beispiel die Paperbarks, die verlieren ihre Rinde in papiernen Streifen, oder die Blue Gums, die haben die ersten 3 Jahre bläuliche Blätter und eignen sich bestens für den kommerziellen Holzschlag, dann gibt es die Ghost Gums - die kommen allerdings vor allem in der Wüste vor - sie haben leuchtend weisse Stämme und wenn es sehr trocken wird, lassen sie grosse Äste fallen, um ihren Wasserhaushalt zu regulieren. In den höheren Gegenden Tasmaniens wachsen die Snow Gums, die haben eine wunderschön rotbraun marmorierte Rinde - für mich sind das die schönsten Bäume.
Steigt man noch weiter auf, gesellen sich Nadelbäume dazu, welche mit zunehmender Höhe immer krüppeliger werden, bis fast nur noch Moore und Heide die Gegend prägen, bevor die Berge in felsigen Gipfeln enden. Und um all das zu bereisen und zu geniessen hatten wir reichlich Zeit und Musse. Wir verlassen die Insel ohne das Gefühl zu haben einen Teil vernachlässigt oder gar verpasst zu haben. Vollends zufrieden kehren wir aufs Festland zurück.
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