Argentinien - Die fantastische Reise des Froschs

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Argentinien

Reisenotizen


Argentinien - Sehenswürdigkeiten der speziellen Art

5121 Kilometer bis Ushuaia kündet das Strassenschild auf den ersten Metern in Argentinien an, als wir die Grenze von Bolivien her kommend überqueren. Wow, was für ein riesiges Land! Wie lange wird es wohl dauern bis Kathrin und Andreas in Argentiniens südlichster Stadt ankommen werden? Nun, wie ich aus ihren Gesprächen vernehmen kann, ist Ushuaia jedoch nicht ein Ziel, welches sie auf Biegen und Brechen erreichen wollen. Sehr touristisch, schon etwas mystifiziert und sehr weit entfernt - das ist Ushuaia für die Beiden.
Ich werde Euch in den folgenden Zeilen ein paar Häppchen ihrer Reise herauspicken. Das Land ist, wie gesagt, riesig und sehr abwechslungsreich, doch es gibt auch grosse Landstriche, die die Beiden eher langweilig und eintönig empfinden. So beschränke ich mich auf die interessanten Strecken und pflücke Euch die Rosinen der Reise heraus.

Auf dem Pinguin Highway


Andreas lenkt den Landcruiser um einen sandigen Hügel herum und unverhofft stehen sie inmitten einer riesigen Pinguinkolonie. Über ein weitläufiges Gebiet sind die schwarzweissen Vögel verstreut. Einzelne Tiere watscheln über die Fahrspur, rechts und links der Piste befinden sich Nesthöhlen und das raue Schnattern der Pinguine ist überall zu vernehmen. Hierher verirren sich keine Touristen, denn sonst wären längst Fussstege und ein Kassenhäuschen, wie andernorts, gebaut worden. Mit wenig Begeisterung besuchten meine Freunde zuvor schon drei Pinguinkolonien, doch die Touristen waren fast so zahlreich wie die Vögel, und das war nicht gerade ein Naturschauspiel, wie sie es sich vorgestellt hatten. Doch was sie hier, auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz vorfinden, übertrifft alles Vorhergesehene: 
Um die Tiere nicht zu stören, steuert Andreas auf einen kleinen Felsvorsprung zu. Dort steht ein alter Leuchtturm in einer Landschaft mit mehreren tiefen Buchten. Von jeder führt ein sandig kiesiger Steifen ins Landesinnere und bildet eine Art Vordüne. Diese ist wie ein Käse von Tausenden Bruthöhlen durchlöchert. Junge Pinguine, die bald schon flügge sind, warten darauf von den Eltern gefüttert zu werden. Ihr lautes Piepen lässt keinen Zweifel an ihrem Hunger.

Das spannendste Schauspiel aber beginnt dann am Abend, als Mama und / oder Papa, die tagsüber auf Futtersuche waren, heimkehren. Die Elterntiere nehmen immer dieselben Wege, um von ihrem Nestern ins offene Wasser zu gelangen. So haben sich regelrechte Pinguin-Highways gebildet. Und jetzt beginnt die “rush hour“: Blitzschnell schwimmen die Pinguine an den Strand heran, schütteln sich das Wasser vom Leib und machen sich dann in kleinen Gruppen im etwas unordentlichen Gänsemarsch auf den beschwerlichen Weg zu ihren Nachkommen. Warum sie ihre Nester hoch am Hang, teils bis zu 500 Metern vom Meeresufer entfernt bauen, leuchtet Kathrin und Andreas nicht gerade ein, denn der weite Weg ermüdet die Pinguine. Immer wieder legen sie sich unterwegs hin, um eine Pause einzulegen. Während der zweieinhalbstündigen “rush hour“ marschieren zigtausende an ihnen vorbei. Tap-tap-tap, tap-tap-tap, mit kurzen Beinen und etwas plumpen Körpern scheinen sie nicht dazu gemacht zu sein, um weite Strecken zu marschieren. Ihres dicken Bauches wegen sehen sie nicht, wo sie hintreten, und so fällt immer mal wieder einer hin oder stolpert über einen Stein oder Busch.
Am Morgen früh erleben die Zwei das Selbe Schauspiel in die andere Richtung. Eine schier unendliche Kolonne macht sich auf den Weg ins Meer zur Futtersuche. Sind die Pinguine im Wasser, vollführen sie erst mal ein paar Purzelbäume, als ob sie sich ungemein freuen wieder im kalten Nass zu sein, wo sie den Staub aus den Federn waschen können. 
Mit ein paar Rollen belichteter Filme im Gepäck machen sich Andreas und Kathrin schweren Herzens im Laufe des Tages auf die Weiterreise, denn weitere Naturschauspiele erwarten sie.


Papageien mit seltsamen Angewohnheiten


Auf einen Tipp von Andreas' Bruder Christoph hin fahren Andreas und Kathrin nach El Condor südlich von Viedma an der Atlantikküste. El Condor ist ein für Argentinien typischer kleiner Badeort, nicht gerade nach Andreas' und Kathrins Geschmack. Aber zum Plantschen fahren sie auch nicht dorthin, vielmehr wegen einer Steilklippe ausserhalb des Ortes, welche sich viele Kilometer dem Meer entlang zieht. In dieser Klippe hat sich eine Kolonie von Felsensittichen einquartiert. 35'000 Brutpaare nisten hier in tiefen Höhlen.

Ein ohrenbetäubendes Schreien und Kreischen erfüllt die Luft, doch die strand- und sonnenhungrigen Argentinier scheint dies nicht zu stören. Meine zwei Begleiter zücken ihre Feldstecher und beobachten die relativ grossen Sittiche. Der Kopf ist gelb mit etwas rot an den Wangen, der Körper ist hauptsächlich grün mit einem blauen Schimmer an den Flügeln. Kathrin meint am Rand der Höhlen Jungtier zu sehen, die auf Futter warten, das die Eltern ranschaffen. Letztere fliegen raus und wieder zurück, einzeln und in Schwärmen. Oberhalb des Kliffs befindet sich eine Stromleitung, die scheint ein beliebter Aufenthaltsort der Vögel zu sein. Zu hunderten lassen sie sich auf der Leitung nieder und lassen die Leitung in beängstigenden Masse durchhängen.


Seeöwen und Co


An der Küste Argentiniens gibt es viele einsame, unverbaute Strände. Ein Paradies für Meeressäugetiere wie Seelöwen und Seeelefanten, die sich gerne in Ruhe sonnen und auch ihre Jungen an Land zur Welt bringen. Einige dieser Kolonien kann man besuchen, viele sind hingegen unzugänglich und somit unberührt und ungestört. Von den Seeelefanten bekommen Kathrin und Andreas nur die Weibchen zu Gesicht, welche nicht die typische, grosse gekrümmte Nase, welche den Männchen vorbehalten ist, aufweisen. Die Männchen kommen nur zur Paarungszeit hierher, momentan schwimmen sie als Einzelgänger durch die Ozeane. Die Weibchen haben eine helle Haut und sind grösser als Seelöwen. Wir sehen sie schön in Reih und Glied am Strand liegen, so nahe an der Wasserlinie, dass ihr Körper an den Enden, sei es Schwanz oder Schnauze, mit jeder Welle leicht benetzt wird.
Seeöwen können Kathrin und Andreas von näher betrachten. Sie haben eine dunkle Haut und die Männchen tragen um den Hals einen imposanten Fellkragen, der an eine Löwenmähne erinnert. Auch ihr Brüllen und der aufgerissene Rachen sind löwenähnlich. Es ist die Zeit der Niederkunft und meine zwei Begleiter können zuschauen, wie an einem Strand die Weibchen ihre Jungen, welche schwarz wie Robben aussehen, zur Welt bringen. Die Männchen liegen zwischen den gebärenden Weibchen und verscheuchen wohl mit ihrem Gebrüll allfällige Feinde. Ein spektakuläres Schauspiel.


Mate, Kultgetränk mit bitterem Geschmack


Mate ist der Argentinier Leibgetränk. Ein Kraut - Yerba Mate, welches als Baum wächst - wird in einem speziell dafür hergestellten Behälter, zum Beispiel einem ausgehöhlten kleinen Kürbis oder einem Gefäss aus Holz, aufgebrüht. Mit der Bombilla, einem Metallröhrchen mit einem kleinen Sieb am Ende wird der Aufguss getrunken. Mate ist ein geselliges Getränk. Es wurde von den Jesuiten in der Kolonialzeit eingeführt. Es sollte, an Stelle von Alkohol, die Geselligkeit fördern. Der Becher wird mit heissem Wasser aufgefüllt und von einer Person leer getrunken, dann wird er weitergereicht, mit demselben Kraut und derselben Bombilla. Und so geht das reihum, bis alle genug haben. Eine Einladung zum Matetrinken abzulehnen kommt schon fast einer Beleidigung gleich.
Kathrin und Andreas treffen auf Argentinier, die ihren Matebecher den ganzen Tag mit sich herum schleppen; zur Arbeit, im Auto, zu Sehenswürdigkeiten. An Tankstellen gibt es Heisswasserboiler, an denen jeder seine Thermoskanne, teils gratis, teils gegen ein kleines Entgelt, auffüllen kann. Wenn man das Haus verlässt gehören ein Thermoskrug und der Matebecher dazu, genau so wie das Handy oder die Handtasche. Im Supermarkt ist das Regal für Mate um ein vielfaches grösser als jenes für Kaffee. Es gibt Dutzende Marken von Mate. Das Spektrum reicht von herb bis mild, ja sogar mit Früchten und Kräutern aromatisierte Mates gibt es. Letzteres für die Feinbeseiteten, die den herben, etwas bitteren Geschmack des Mates nicht lieben aber trotzdem am geselligen Brauch festhalten.


Cataratas de Iguazú - eine Hölle aus Gischt und Getose


Wasserfälle scheinen etwas Magisches zu haben. Kaum ein Wasserfall, der nicht in einem Reiseführer erwähnt wird oder mit einer Besichtigungstour ausgeschlachtet wird. Kathrin und Andreas, in der wassergesegneten Schweiz aufgewachsen, schauen sich schon lange nicht mehr alle Wasserfälle an. Meist sind sie nicht so spektakulär und gross wie angepriesen.
Nicht so die Iguazufälle im Länderdreieck Argentinien, Brasilien und Paraguay. Ein Nationalpark schützt die Region und zieht gleichzeitig eine Unmenge von Besucher an. Aber der Magie der Iguazufälle können die Menschenmassen diesmal keinen Deut anhaben, finden Kathrin und Andreas. Staunend wandern sie über die Holzstege, die ihnen immer neue Aussichten auf die tosenden Wassermassen eröffnen. Der Fluss scheint Hochwasser zu führen und anstatt der üblichen einzelnen, kleineren Fälle, welche über die Felsen stürzen, donnert eine grosse Wasserkaskade vor ihnen in die Tiefe. Braun-weiss melangiert ist das Wasser, wie Milchkaffee sieht es aus. Eine ungeheure Gischt sprüht gen Himmel. Umrahmt wird das Spektakel von tropischem Urwald, dementsprechend ist es heiss und schwül.

San Ignacio Mini, Santa Ana, Loreto - Zeitzeugen im Dschungel von Misiones


Im Norden Argentiniens, sowie in den umliegenden Ländern haben sich zur Kolonialzeit Missionen der Jesuiten ausgebreitet. Die Geistlichen waren hervorragende Baumeister und gute Organisatoren von Gesellschaftsstrukturen. Sie errichteten eine Infrastruktur und hierdurch eine Abhängigkeit der lokalen Guaraní Indios in der Absicht, sie an sich zu binden und natürlich um sie vom christlichen Glauben zu überzeugen. Heute stehen nur noch Ruinen der einstmals prächtigen Bauten. Der ungeheure Reichtum der Jesuiten und deren Kontrolle über die Guaraní war den Handelsleuten und Landbesitzern ein Dorn im Auge und war auch dem spanischen Staat nicht geheuer. So wurden die Missionen im Jahre 1767 von der Obrigkeit aufgelöst und seither überwuchert der Urwald die Gebäude und die Natur holte sich ihr Terrain zurück. Diese Missionen befinden sich im subtropischen Gürtel und die Vegetation ist dicht und schnell wachsend. Archäologen sind nun daran, die Mauern auszugraben und von Wurzeln und Vegetation zu befreien.
Kathrin und Andreas streifen durch mystische Anlagen mit moosgrünen Mauerresten, umgekippten Friesen und eingestürzten Wänden. Die Missionen waren gross. Nur schon der Hauptplatz hätte etwa zwei Fussballfelder umfasst. Es gab natürlich eine mächtige Kirche, aber auch eine Schule, eine Krankenstation, Werkstätten und Wohnräume.
In der Mission Loreto, die etwas abgelegen liegt, ist noch nicht wieder viel aufgebaut. Die meisten Mauern sind noch unter grossen Erdhügeln verborgen, erst eine Kapelle ist freigelegt worden und die völlig zusammengefallene Kathedrale wurde geortet. Man fühlt sich an diesem überwucherten Ort in eine Märchenwelt versetzt.



Parrilla & Asado


Argentinien ist unbestritten ein Fleischland. Auf den 5000 Strassenkilometern von Nord nach Süd stossen Kathrin und Andreas überall auf Rinderweiden mit gut genährten, massigen Tieren, die nichts anderes als die natürliche Weide kennen. Schafe gibt's hingegen nur ganz im Süden. Ein paar Schweine und Hühner werden noch gezüchtet, ansonsten wird aber kaum anderes Fleisch verzehrt als Rindfleisch. Kein Hase, kein Wild, kein Guanaco, keine Ente. So ist die Fleischvarietät eher mager, jedoch ist die Menge an Fleisch, die der typische Argentinier verschlingt, entgegengesetzt proportional riesig. Typischerweise wird es als Asado zubereitet, das heisst, als Grillade.

Für Kathrin und Andreas, die einem Happen Blutigem nicht abgeneigt sind, kommt das Eine oder Andere dann doch etwas fremd vor: So empfiehlt ein Metzger locker 600 - 800 Gramm Fleisch pro Person. Das haut ungefähr mit den voll beladenen Gitterrosten hin, die Andreas bei Argentiniern gesehen hat. Er schätzte die Menge gar auf ein Kilo pro Person! Des weiteren werden nicht etwa schön geschnittene Steaks und „Plätzli“ gebraten, sondern gleich ganze Rippenstücke, ein ganzes Hinterbein, ein ganzes Filet oder die ganze Bauchseite. In kommerziellen Grillstuben, Parrillas genannt, werden gar ganze Tiere - Schafe oder Rinder - am Bauch und am Brustbein aufgeschnitten, auf ein Kreuz aufgespiesst und über einem riesigen, offenen Feuer mitten in der Gaststube grilliert. Das ist Showküche die beeindruckt.Metzger ist es jedoch für Kathrin ein Ratespiel, was für ein Stück Fleisch da wohl in der Vitrine liegt, denn die Tiere werden anders auseinander geschnitten als sie es kennt. Das Fleisch ist billig, vor allem, wenn man die Preise mit der Schweiz vergleicht. Und es gefällt Kathrin und Andreas, dass nicht nur die „guten Stücke“ angeboten werden, sondern auch Herz, Kutteln und andere Innereien und auch Stücke, die nicht immer zart, dafür aber saftig und lecker im Geschmack sind.


Zäune ohne Ende


Irgendwas hat sich an der Landschaft verändert, aber Kathrin findet nicht gleich heraus, was es sein könnte. Doch dann dämmert es ihr: die Zäune! Seit Kilometern sind sie links und rechts der Strasse ihre Begleiter, geben der Landschaft ein geordnetes, braves, überschaubares Aussehen. Im Gegensatz zur Mongolei ist Argentinien diesbezüglich das pure Gegenteil. Bei den Mongolen ist alles Land Gemeinschaftsgut und es ist kaum ein Grundstück eingehagt. Ganz anders in Argentinien, hier gibt es kaum einen Flecken Land, der nicht eingezäunt und in Privatbesitz ist. Beängstigend!
Auf unendlichen Pistenkilometern kommen sich Kathrin und Andreas

wie Gefangene der Landstrasse vor. Links ein Zaun, rechts ein Zaunund kein Weg, keine Ausbuchtung durchbricht das endlose Banddes Drahtgeflechts. Wenn dann doch mal ein Feldweg abzweigt, ist er abgesperrt durch ein Tor, welches mit einem Schloss verriegelt ist. Wenn sich da wenigstens saftige Weiden, endlose Getreidefelder oder üppige Plantagen befänden, würde das Sinn machen, doch in Argentinien sind es meist dürre, öde Landstriche, in welchem kein Schaf, keine Kuh, höchstens mal ein wilder Hase zu finden ist.
Wer um Himmels Willen hat all diese Zaunpfosten eingeschlagen und mit Draht verspannt? Wer unterhält die vielen Kilometer Hag? Was soll hier geschützt werden? 
Früh müssen Andreas und Kathrin jeden Abend mit der Suche eines Nachtplatzes beginnen. Oft finden sie nur einen notdürftigen, mässig schönen Übernachtungsort. Das Land ist so immens weit und leer, es müsste eigentlich ein Leichtes sein, schön zu übernachten. Ihr Frust ist gross…


Patagonien – Argentiniens Outback

Patagonien erstreckt sich beidseits der Anden von etwa der Mitte Argentiniens und Chiles bis hinunter an die Magellanstrasse. Etwas mehr als eine Million Quadratkilometer nimmt es ein und ist somit dreimal so gross wie Deutschland oder zwanzigmal die Schweiz. In Chile ist Patagonien üppig grün, es gibt Wälder und breite Flüsse. Der weitaus grössere Teil liegt in Argentinien und ist ein raues, Wind gebeuteltes Stück Erde, ausgenommen eines schmalen Streifens am Fuss der Anden, der sich Región Los Lagos nennt. In ein paar wenigen Städten lebt der grösste Teil der patagonischen Einwohner. Der Rest ist karge Landschaft, Gebirge und Steppe, in der Besitzer einiger riesiger Estancias früher mit Schafwolle viel Geld erwirtschaftet haben.
uf ihrem Wggen Süden  verlassen Kathrin und Andreas so oft wie
möglich die Ruta National 3, welche auf geradstem Weg durch ganz Patagonien hindurchführt. Dieser Highway ist extrem langweilig und mit Tempo 80 oder mehr wollen die zwei nicht durch Patagonien rauschen. Wie gewohnt wählt Andreas viel lieber die kleinen Pisten aus, welche sie langsamer, aber doch viel naturverbundener durch die Landschaft führen. Ein Gefühl wie bei der Durchquerung des australischen Outbacks kommt bei ihnen auf; weit weg von der Zivilisation, im so genannten Hinterland oder Niemandsland. Vor ihnen liegen unermesslich weite, leere Gebiete und meilenlange Schotterpisten. Kein Mensch weit und breit.
Langweilig wird es meinen Begleitern gar nicht. Nebst spektakulären Felsformationen, schönen Seen und weniger schönen Ölfeldern mit hunderten von Pumpen, gelangen sie zu zwei Nationalparks mit versteinerten Bäumen. In einem der Parks sind riesige Stämme versteinert, so grosse Bäume finden sich heute über hunderte von Kilometern keine mehr. Die Erosion hat die Zeitzeugen aus tiefen Erdschichten freigelegt und nun liegen sie im Gelände herum. Schaut man genau hin, kann man die Jahresringe erkennen. Im zweiten Park sind die versteinerten Holzstücke kleiner, bis zu 2 Meter lang und Berge von fossilen Holzspänen liegen herum, fast so als würde man sich in einem ehemaligen Sägewerk befinden.
 
Touristische Highlights in Patagonien sind der Parque National Torres del Paine in Chile, oder der Parque National Los Glaciares sowie der Perito Moreno Gletscher in Argentinien. Alle drei ziehen Touristen in Massen an und sind nach Andreas’ Meinung ziemlich abgelatscht. Vor 22 Jahren waren meine Begleiter hier zu Fuss unterwegs, haben die Bergriesen auf mehrtägigen Wanderungen bewundert. Heute macht ihnen das Wandern keinen Spass mehr, denn man geht quasi in Einerkolonne durch die Wälder, gezeltet wird auf hoffnungslos überfüllten Plätzen und sie ärgern sich, dass keiner mehr grüsst. Eine Tageswanderung zum Fuss des Cerro Fitzroy reicht und Andreas hat die Nase gestrichen voll.

 

Tierra del Fuego - halb Chile, halb Argentinien.


Mit einer Fähre setzen Andreas und Kathrin über die Magellanstrasse und erreichen Tierra del Fuego, Feuerland. Anfangs gleicht die Landschaft dieser riesigen Insel ganz im Süden Argentiniens, der von weiter nördlich. Flache, endlos weite Ebenen, Zäune, Schafe, verdorrtes Gras. Weiter im Süden jedoch ändert sich das Bild. Berge erheben sich bis zu 2500 Meter Höhe und Bäume säumen die Hänge. Erst nur wenige, dann ganze Wälder. Was für eine Überraschung am Ende der Welt!
Über Porvenir, einem Ort im Westen der Insel fahren sie der Küste entlang so weit wie es geht. Wunderschöne Uferstreifen mit  angetriebenem Schwemmholz begeistern Andreas und Kathrin. In der hübschen Bucht in der sie zwei Nächte verbringen, kommen sie morgens Delphine besuchen, welche unermüdlich durch die Wellen springen. Kormorane stehen dicht auf den Felsen vor der Küste und andere Wasservögel ziehen in Schwärmen am Horizont vorbei. In der Ferne liegen die Schnee bedeckten Ausläufer der Anden. Andreas und Kathrin befinden sich in einem Labyrinth aus Inseln und Fjorden. Die vielen Berge, welche die Fjorde umgeben, lassen sie eher an einen grossen, verzweigten See denken, aber das Salzwasser bezeugt, dass Andreas dem Meer immer weiter gen Süden entlang fährt. Und so erreichen sie im März Ushuaia.
Lange haben die Beiden diskutiert, ob sie bis dorthin fahren sollen. Die Stadt hat sich seit ihrem Besuch vor 22 Jahren nicht zum Besseren gewandelt, doch im Nachhinein sind beide froh, haben sie die lange Reise auf sich genommen und diesen Abschnitt nochmals erkundet. Die Region ist einfach umwerfend schön, viel zu speziell, um sie nicht zu bereisen.
Viel Zeit des Spätsommers verbringen sie auf Feuerland: Eine Wanderung im Nationalpark Tierra del Fuego bringt sie an das Ufer des Beagle Kanals. Blumen, Bäume, Baumpilze und spannende Aussichten sind die Höhepunkte dieser Wanderung. Ein weiterer Ausflug bringt sie in die nahen Berge zum Gletscher Vinciguerra. Die Wanderung führt durch brach liegende Torffelder und gewährt spannende Aussichten auf den Beagle Kanal und auf die Darwin Range, die letzten Ausläufer der Anden.
Auf dem Gebiet der Estancia Haberton, der ältesten Farm auf Feuerland, liegt ein weiteres paradiesisches Fleckchen Erde. Traumhafte Buchten wechseln sich ab mit Hügeln und Wäldern, von welchen man immer neue, spannende Ausblicke auf den Beagle Kanal geniesst. Die Sonne scheint oft und auf den Campingplätzen auf der Estancia darf man Feuer machen, Holz gibt es genug. Mit frisch kennengelernten Langzeitreisenden verbringen Kathrin und Andreas zwei gemütliche Abende mit Grilladen und guten Gesprächen.

Der Wein aus der Wüste

Schon eine Weile freuen sich Kathrin und Andreas auf Mendoza und seine Umgebung. Es soll eines der besten Weinbaugebiete Argentiniens sein. Auf jeden Fall ist es das grösste, 70% des argentinischen Weines werden hier produziert. Die Stadt Mendoza gefällt Andreas auf Anhieb und die zwei verweilen drei volle Tage in der Stadt. Sie ist relativ sauber, hat schöne Häuserzüge mit teils alten Gebäuden, eine Fussgängerzone und fünf schöne, Palmen bestandene Plätze.
Auf der Suche nach den Rebbergen werden Kathrin und Andreas allerdings gewaltig enttäuscht. Anstatt durch eine idyllische Wein-landschaft fahren sie durch ein Industriegebiet mit grossen Werkhallen und Abfall beladenen Vorhöfen. Die Rebberge sind durch hohe und dichte Baumalleen abgegrenzt, viele der Weingüter sind nicht einladend, Schilder an den Eingängen erweisen auf eine
Anmeldung oder auf einen Besuch ausschliesslich per organisierter Tour.
Im Vorort Maipú besuchen sie das Weinmuseum, welches auf dem ältesten Weingut der Region zu finden ist. Die modernen Metallfässer und Anlagen sind nicht sehr interessant und die Erklärungen eher dürftig. Spannend hingegen sind die alten Gerätschaften von der frühen Weinproduktion: Pressen, Holzfässer, Bottiche, Abfüllgestelle und aus der Pionierzeit, eine aufgespannte Kuhhaut. Darin wurden die Weintrauben mit den Füssen gestampft.
Der Weinbau in dieser trockenen Region zu Füssen der Anden war nur möglich, da die Inkas in früheren Zeiten ein System von Wasserkanälen angelegt hatten mit denen sie Gletscherwasser anzapften, um ihre terrassierten Felder zu bestellen. Die Europäer, die den Weinbau mit Rebstöcken aus der Heimat aufbauten, machten sich dieses Wassersystem zu Nutze, denn der natürliche Regen der hier fällt würde nie ausreichen für die Produktion von Wein.
 
Nebst Weingütern gibt es in Maipú einige Olivenhaine, denn Olivenbäume und Reben ergänzen sich vorzüglich betreffend der Schädlingsbekämpfung. So lernt man immer was Neues dazu. Leider ist die Liebe zum Detail und die Freundlichkeit auch auf den Olivengütern im Tourismusgeschäft verloren gegangen. Massenweise müssen Touristen abgefertigt werden was oft zu Oberflächlichkeit führt. Dafür treffen die zwei im Museum im Zentrum von Maipú auf eine äusserst motivierte Frau, die ihnen die Geschichte des Weinbaus von Mendoza in der ehemaligen Villa des Gründers des grössten Weingutes erzählt.
Weiter nördlich, in der Region von Cafayate finden Kathrin und Andreas was sie gesucht haben. Hübsch angelegte Rebberge in einer attraktiven Landschaft, kleine Weingüter und sympathische Leute. Unter den vielen Produzenten entscheidet sich Kathrin für das Weingut Colomé, welches sich durch seine Abgeschiedenheit und seine Lage auf 2300 Metern hervorhebt. Die Fahrt zum Gut, welches ausserhalb zwischen Cafayate und Cachi in einem Seitental liegt, ist spannend. Hier sollen Reben gedeihen? Die Landschaft ist extrem trocken und felsig, Kakteen wachsen an den Hängen und viele der Bachbette sind ausgetrocknet. Bald schon erblicken meine Reisekollegen säuberlich angelegte Rebberge links und rechts der Strasse. Viele verschiedene Sorten wurden gepflanzt wie man an den verschiedenfarbenen Blättern der Stauden erkennen kann. Jetzt zur Herbstzeit sind die Farben besonders intensiv. Von gelbgrün über orange, rot bis hin zu dunkelviolett reicht die Farbpalette. Die Rebberge erinnern an die Schweiz; klein und gut gepflegt. Es erstaunt Kathrin daher gar nicht, als sie in Colomé ankommen und erfahren, dass der Besitzer ein Schweizer ist. Donald Hess hat dieses Weingut in Colomé aufgebaut. Sein höchster Rebberg liegt auf über 3000 Metern und ist somit wohl der höchste der Welt. Damit aber nicht genug der Eigenheiten. Hess hat im Dorf Colomé, dessen Bewohner bei ihm arbeiten eine Schule und eine Krankenstation aufgebaut. Und auf dem Gelände des Weingutes hat er für den Licht- und Raum-Künstler James Turrell ein fantastisches Museum eingerichtet.


Die Eisenbahn, die in die Wolken führt

1921 begannen die Arbeiten an der 940 Kilometer langen Socompa Bahnlinie, welche Salta im Norden Argentiniens mit Antafogasta an Chiles Küste verbindet. Gebaut wurde diese Bahnstrecke vor allem wegen der Borax- und Salpeterminen, welche in diesen Gegenden ausgebeutet wurden. Salta liegt auf 1180 Meter, von dort führt die Strecke über 29 Brücken, 21 Tunnel, 13 Viadukte, zwei Kehrschleifen und zwei Spitzkehren bis zum höchsten Punkt am Viadukt La Polvorilla auf 4220 Meter. Das Viadukt ist ein riesiges Konstrukt aus Stahl und Beton, welches eine 63 Meter tiefe Schlucht überquert. Die Grenze zwischen den zwei Ländern wird am Paso Socompa auf 3880 Meter überschritten. Erst im Jahre 1948 wurden die Arbeiten beendet. Bis 1981
fuhr ein Personenzug mit Schlafwagen  pro Woche die ganze Strecke. Danach gab es nur noch einen wöchentlichen Güterzug und heute fährt gar nur noch ein Gastransport pro Woche von Salta nach Antafogasta. Für Touristen ist der „Tren a los nubes“ (der Zug in die Wolken) eingerichtet worden, welcher in einer langen Tagesreise von Salta bis zum Viadukt und wieder zurück fährt.
Kathrin und Andreas sind beides Eisenbahnfans und so folgen sie mit Interesse der Bahnlinie per Auto. Teils führen die Schienen parallel zur Strasse und sie können alte Bahnhofsgebäude, den vorbeifahrenden„Tren a los nubes“  und das Viadukt Polvorilla bewundern. Die spannendsten Stücke, Tunnels und Spitzkehren, liegen jedoch weit ab der Strasse und sind ohne lange Märsche nicht zugänglich.
Der Socompapass war früher auch für Autofahrer als internationaler Grenzübergang  geöffnet, heute dürfen ihn nur noch Velofahrer und Fussgänger passieren. Welcher Fussgänger ist wohl so verrückt, hier, hunderte von Kilometern fernab der letzten Stadt, einen Pass zu überqueren? Auch wenn sie wissen, dass sie die Grenze nicht passieren können, fahren Kathrin und Andreas trotzdem auf den Pass hoch. Die Landschaft ist spektakulär, gelbes, büscheliges Gras bedeckt die Hänge und leuchtet golden in der Sonne. Mehrere Vulkane reihen sich entlang der Grenze und Lagunen mit Flamingos breiten sich in den Ebenen aus. Die Piste ist schmal und etwas holperig, aber gut zu befahren. Am Socompapass stehen noch die kaum benutzten Zollgebäude, verlassenen Bahnhofsgebäude, ein Werkschuppen und eine Zugsdrehscheibe. Nur schwer kann man sich vorstellen, dass hier einmal pro Woche ein beladener Zug vorbeifährt. Noch schwerer, dass die vereinsamten Grenzzöllner tatsächlich Velofahrer und Fussgänger abfertigen sollen!
 
In der Nähe des Socompapasses ragt der Vulkan Llullaillaco in den Himmel, ein 6739 Meter hoher Schneeriese, der dritthöchste Vulkan der Erde. Dort wurden 1999 im Gipfelbereich drei Mumien von Kindern ausgegraben, welche Forschern zufolge Opfer eines religiösen Ritus waren. Seit Kathrin eine der Kindermumien im Museum in Salta bewundert hat und sie die Hintergründe des Opferrituals vor 500 Jahren erfahren hat, zieht sie der Llullaillaco in ihren Bann. Was für ein Unterfangen, zu Zeiten der Inkas drei Kinder auf den Vulkan zu schleppen und einem Gott zu opfern. Der Llullaillaco war ein heiliger Berg, Sitz der Götter, denn das Wasser seiner Gletscher war den Menschen in der Atacamawüste lebenswichtig. Diese Gräber sind die höchstgelegenen archäologischen Funde der Welt.
Kathrin und Andreas folgen einer Piste, die am Fuss des Llullaillaco entlang führt. Schon von weitem ist der mächtige Riese zu bewundern und einen ganzen Tag lang weicht er nicht aus ihrem Blickfeld. Über karge Hochebenen mit vulkanisch scharfkantigen Steinen, vorbei an ehemaligen Minen mit ihren Überbleibseln an Gebäuden gleitet der Landcruiser dahin, kämpft sich über Passhöhen um auf der andern Seite in eine Ebene zu tauchen in der ein Salzsee liegt. Aus einer Quelle sprudelt Wasser – es ist leicht salzig und trotzdem wächst ringsum Gras. Der Llullaillaco wird mit dem Näherkommen immer eindrücklicher und erhabener. Die Landschaft in dieser abgelegenen Gegend gehört zu den schönsten, die sie je gesehen haben.



Auf Endeckungsreise zu den Minen der Hochanden

Argentinien und Chile sind reich an Bodenschätzen aller Art und schon seit Jahrhunderten werden diese ausgebeutet. Auf der Fahrt den Anden entlang begegnen Kathrin und Andreas vielen Minen, manchmal sind sie zur Umkehr gezwungen, denn die Pisten führen durch die abgesperrten Abbaugebiete. Einige sind jedoch besuchbare, historische Minen, in denen es Interessantes zu entdecken gibt. Andere werden noch im grossen Stile ausgebeutet und formen hässliche Gebilde, die riesige Landstriche verunstalten.
 
Das Verrückteste, das Andreas und Kathrin gesehen haben, ist sicher die Mine La Mejicana. Sie befindet sich in der Nähe von Chilecito in Argentinien und ist seit Jahrzehnten stillgelegt. Die Anfahrt führt durch ein schmales Tal das teilweise schluchtartig eng wird. Viele Male führt die Piste durchs oder inmitten des Bachbetts. Vorbei an skurrilen Felsformationen steigen die zwei immer höher, bis sie in einem grossen Talkessel auf 4500 Meter seltsame Eisenkonstrukte erblicken. Beim genauen Hinblicken sehen sie, dass es sich um verrostete Seilbahnmasten handelt. Auch eine Seilbahnstation und Eisenbahnschienen, auf welchen die Stollenwagen zur Seilbahnstation rollten, sind zu finden. Über 35 Kilometer weit hat die Seilbahn das ausgebuddelte Schürfgut transportiert, runter ins Tal bis nach Chilecito, das 3500 Meter tiefer liegt! Bereits im Jahre 1903 wurde die Seilbahn fertig gestellt, was für eine gewaltige Leistung!
 
Eine weitere Überraschung wartete auf Kathrin und Andreas in der ehemaligen Mine La Casualidad im Nordwesten von Salta. Hier wurde früher Schwefel abgebaut. Neben grossen Werkhallen, Förderbändern und Resten einer kleinen Seilbahn steht ein ganzes Dorf in dem 3000 Menschen gelebt haben. Wir befinden uns auch hier auf 4200 Metern über Meer. Das Dorf sieht aus, als wäre es vor noch nicht allzu langer Zeit bewohnt gewesen. Die Häuser haben zwar keine Scheiben mehr, sind aber sonst noch einigermassen intakt. Die Kirche ist nicht verriegelt und hat einen geschmückten Altar. Es gab eine Schule mit Spielplatz, eine Krankenstation und ein Kino.
 
Eine Mine ganz anderen Massstabes finden Andreas und Kathrin im chilenischen Calama. Dort besuchen sie die Mine Chuquicamata, die grösste Kupfermine im Offenabbau der Welt. Diese ist noch in Betrieb, 8000 Menschen arbeiten hier und so ist ein Besuch nur mit einer geführten Tour und im Bus möglich. Von der Verarbeitung des Rohmateriales sehen sie nur ein Schema, die Arbeitshallen sind nicht zu besuchen. Das Spektakuläre an dieser Mine ist jedoch gewiss die Abraumhalde. Von einer Aussichtsplattform aus schauen sie hinunter in ein tiefes Loch, welches 4,3 Kilometer lang, 3 Kilometer breit und 1000 Meter tief ist! Unglaublich! Die Lastwagen, die das Aushubmaterial hoch bringen, schnaufen dröhnend auf ihrer kilometerlangen Zigzagstrecke aus der Grube empor. Wie Ameisen sehen diese tonnenschweren und wohl grössten Minenlaster der Welt aus, wenn sie im Trichter zu verschwinden scheinen. 
Zum Schluss geht die Tour zur Arbeiterstadt von Chuquicamata, deren Bewohner vor ein paar Jahren umgesiedelt wurden, da die Lage inmitten des Minegebietes gesundheitstechnisch nicht besonders ideal war. Heute ist der Ort eine Geisterstadt. Das Theater scheint jedoch noch Vorführungen zu zeigen, die Läden sehen aus als seien sie nur kurz für die Mittagspause geschlossen und die Universität nur vorübergehend verwaist, als haben die Studenten gerade Semesterferien. Naja, die Geräusche von spielenden Kindern, Autolärm und bellenden Hunden fehlen, aber sonst hat man das Gefühl, die Menschen kehren bald in die Stadt zurück.
 

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