Kanada - Quebec, Labrador, Neufundland, Nova Scotia
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Kanada – Quebec, Labrador, Neufundland, Nova Scotia
Juni bis September 2018
Quebec, Frankreichs Vermächtnis
Bereits im 17. Jahrhundert kämpften Franzosen mit Engländern um Fischereirechte und die besten Siedlungsorte im heutigen Quebec, wie auch in weiteren maritimen Gegenden Ostkanadas. Die französische Sprache hat sich in Quebec erhalten, wenn auch teilweise in etwas schwer verständlicher, altertümlicher Art. Des Öfteren wissen Kathrin und Andreas auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht genau, was ihr Gegenüber aussagen will, zu schnell und undeutlich kommen die Worte daher und fremdartige Ausdrücke mischen sich in die ihnen sonst vertraute Sprache.
Quebecs Süden begeistert meine Freunde gar nicht: Zu gross die Städte und zu dicht die Besiedlung entlang des breiten Ottawa Rivers. Andreas kämpft sich durch die Informationsflut, die ihm im Tourismusbüro aufgehalst wird.
Gar nicht so einfach aus der Masse an Werbung das Nützliche und für uns Spannende herauszufiltern. Andreas’ Route führt uns weg vom Trubel. Es geht an die St. James Bay, einer einsamen Gegend im hohen Norden Quebecs, welche sich weiter nördlich zur unermesslichen Hudson Bay ausweitet. Die Strasse ist gut, der Verkehr gering. Die Landschaft besteht wie aus dem Westen bestens bekannten Schwarz- und Weissfichten, tausenden Seen und einigen imposanten moorig-braunen Flüssen. Dieser Teil Quebecs wurde erschlossen, weil die Gegend für mehrere gigantische Wasserkraftwerke hinhalten muss. 50% des ganzen Stromvolumen Quebecs wird durch eines der Kraftwerke gedeckt. Wasserkraft gilt als saubere Energie. Wenn man jedoch durch diese wunderschöne nordische Landschaft fährt, die seit Menschengedenken eine Wildnis war, dann verstimmen einen die mehrere Fussballfelder grossen Trafowerke, die überdimensionalen Stromleitungen, die riesigen Betonbauten der Staudämme und die gewaltigen Stauseen schon sehr.
Ganz anders sieht es an der Südküste Quebecs aus. An der Côte Nord oder in der Gaspésie reihen sich viele hübsche Fischerdörfer aneinander. Fast jedes dieser Dörfer verfügt über einen kleinen Hafen mit bunten Fischerbooten. Auch die kleinen Häuser sind farbig und stehen wie hingewürfelt in den Wiesen. Keine Zäune trennen die Grundstücke und fast keine modernen, grossen Häuser trüben das urtümliche Bild. Der St. Lorenzstrom der hier durchfliesst und eine viel genutzte Wasserstrasse bis hin zu den grossen Seen zwischen Kanada und den USA bildet, ist ein gefährliches Gewässer, weshalb etliche hübsche Leuchttürme an den vielen Kaps stehen und zu einem pittoresken Bild beisteuern. Die kalten und warmen Gewässer, die sich hier vermischen so wie die tiefen Meeresgräben liefern auch heute noch einen grossen Fischreichtum. Die Fischerei ist in den Küstendörfern weiterhin von grosser Bedeutung.
Kanadier und die Umwelt
Ich muss meine Meinung über die Kanadier revidieren. In der Bildergalerie/Nordamerika/Übersicht habe ich euch erzählt, dass die Kanadier umweltfreundlicher seien als die Amerikaner. Dessen bin ich mir nun nicht mehr sicher, vielleicht trifft dies im Westen Kanadas zu. Aber im Osten haben wir Haarsträubendes erlebt und ich ärgere mich manchmal grün und blau ob derart viel Ignoranz gegenüber der Umwelt. Da treffen wir auf viel zu grosse Autos mit ihren überdimensionalen Motoren alsdann scheint es hier keine Lärmverordnung zu geben, je lauter desto besser. Noch nirgends habe ich Auspuffrohre, dick wie Schornsteine, gesehen oder unzählbar viele Autos, die mit laufendem Motor stundenlang rumstehen. Nicht etwa weil es heiss ist und man nicht auf die Klimaanlage verzichten will oder saukalt und man heizen müsste. Nein, einfach aus Dummheit, weil nichts überlegt wird und Motoren halt da sind um zu laufen. Irgendwann einmal habe ich mich auf einem Parkplatz auf eine Kühlerhaube eines Autos mit laufendem Motor geschlichen und durch die Frontscheibe geguckt. Und was sehe ich da? Einer sitzt im Auto und liest genüsslich ein Buch! Gibt es keine bequemeren Orte zum lesen? Wieso mit laufendem Motor?
In Kanada scheint es den Leuten unheimlich langweilig zu sein. Noch kaum jemals habe ich so viel unnötige Herumkurverei gesehen. Da wird am Morgen der Take away Kaffee im Papbecher spazieren gefahren. Am Nachmittag fährt der Kanadier auf einen Parkplatz und isst, bei laufendem Motor, sein Sandwich und abends braust er noch schnell 20 Kilometer zum Leuchtturm oder zum Strand raus, macht auf dem dortigen Parkplatz aber umgehend kehrt, denn zum sich etwas ansehen ist er nicht hierher gefahren, vielmehr um Zeit tot zu schlagen oder seine Karre spazieren zu führen. Die sonntägliche Ausfahrt findet hier tagein, tagaus statt, rumkutschieren ist zum Alltag geworden.
Labrador
Labrador ist unheimlich dünn besiedelt, ungeheuer gross und erstreckt sich extrem weit nach Norden. So ist es nicht gerade einfach diese fast strassenlose Region mit dem Auto zu bereisen. Doch Labrador ist gesegnet mit Bodenschätzen, vor allem an Eisenerz und das hat zum Bau des Trans Labrador Highways geführt. Er führt zu Minen und einigen der wenigen Siedlungen entlang dieser Piste. Ich muss Euch nicht lange erklären, dass Kathrin und Andreas sofort Feuer und Flamme waren diese Piste zu befahren – 1800 Kilometer durch total abgelegene Landschaften mit der Chance nochmals die Tundra zu durchqueren.
Die Landschaft Labradors ähnelt meist jener der St. James Bay und der von Yukon, aber die zwei werden nicht müde sie immer und immer wieder zu bestaunen. Die wenigen
Ortschaften die am Wegesrand liegen sind für die Minenarbeiter konzipiert und sind nicht attraktiv. In Fermont besuchen meine Freunde die Mont Wright Mine und sehen nebst einem imposant tiefen Aushubkrater auch beeindruckend grosse Minenlastwagen. In der Werkstatt darf Andreas mit den Technikern fachsimpeln und erfährt zum Beispiel, dass ein 400 Tonnen Muldenfahrzeug alle sechs Monate sechs neue Reifen braucht und einer davon kostet 30'000.-CAD $!
Die Ostküste Labradors zeigt ein komplett anderes Bild. Hier ist die Landschaft felsig, der Wald fehlt, dafür gedeiht die Heide. Kleine traditionelle Fischerdörfer liegen in geschützten Buchten, das Leben ist einfach, keine Supermärkte, keine Shoppingmeilen, dafür umso mehr Fische und Boote.
Neufundland
Ein Juwel in Kanadas Landschaftsspektrum! Sechs Wochen lang streifen Andreas und Kathrin über die grosse Insel im Atlantik. Den Trans Canada Highway meiden sie tunlichst, denn dieser verbindet auf schnellstem Weg den Westen mit dem Osten Neufundlands und führt grösstenteils durch monotone Waldgebiete. Die beiden lieben die Nordküste. Sie ist total zerfleddert; fjordähnliche Wasserarme und hunderte von Buchten reihen sich aneinander und bilden mit vorgelagerten Inseln eine landschaftliche Wunderwelt. Einfach ist diese nicht zu erkunden, denn es lässt sich keine Rundtour zusammenstellen. Fast jede Halbinsel endet in einer Sackgasse und nicht an allen Enden erwartet sie Schönes. Aber mit etwas Geduld und Geschick entdecken meine Freunde ein urtümliches Neufundland. Outports nennen sich die kleinen Fischerdörfer in
weit entfernten Buchten. Sie wurden vor langer Zeit gegründet als die Fischerei das Hautpeinkommen der Bewohner darstellte. Hier wurde Kabeljau gefischt, gesalzen, auf Holzgestellen in der Sonne getrocknet und nach Europa verkauft. Die Holzhäuser mit ihren Stegen und Trocknungsgestellen stehen noch heute, werden teilweise auch noch gebraucht. Geändert hat sich nur, dass die Fischer heute mit grossen off shore Motorbooten aufs Meer raus fahren und statt Kabeljau andere Arten fangen, da der Kabeljau bis in die neunziger Jahre heillos überfischt wurde und die Restbestände nun geschützt sind. Die Menschen leben ein einfaches Leben. Die Häuser werden grösstenteils mit Holz beheizt und so gehört ein grosser Haufen Scheite vor jedem Haus zum alltäglichen Bild. Dieses Holz beschaffen sich die Menschen selber. Für 23.- kanadische Dollar (das sind etwa 17.- Franken) erwirbt man sich eine Lizenz zum Fällen der Bäume im nahen Wald. Im Winter, wenn die Fischerei schläft wird geholzt. Mit Motorschneeschlitten werden die Stämme aus dem Wald an die Strasse gebracht, wo sie zersägt und aufgeschichtet werden. Im Herbst wird das Holz mit dem Pick-up nach Hause transportiert und dort gehackt.
Typisch für Neufundland sind auch Gemüsegärten, kleine eingezäunte Weiden für Kühe und Schafe und Erdkeller, in denen Kartoffeln, Rüben und Kohl gelagert wird. Die Menschen waren lange Selbstversorger, denn Strassen gab es nur wenige und Versorgungszentren existierten kaum. Der getrocknete Fisch wurde im Hafen, wo regelmässig Handelsschiffe landeten, gegen Nahrungsmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs getauscht. Diese Dorfstrukturen sind noch heute ersichtlich und auf Infotafeln und in kleinen Museen erfährt man die Hintergrundgeschichten. Es verirren sich kaum Touristen zu diesen hübschen Ansiedlungen und so bleiben diese verschont von Souvenirläden und Imbissbuden, bewahren ihre Authentizität.
East Coast Trail
Auf der östlichsten Halbinsel von Neufundland, auf Avalon zieht sich der East Coast Trail - wie der Name sagt - der Ostküste entlang. Etwa 300 Kilometer sind fertig gestellt, weitere Etappen sind geplant. Dies ist kein Pacific Crest Trail, das ist Kathrin und Andreas klar, trotzdem reizt es sie ungemein diesen Langstreckentrail unter die Füsse zu nehmen. Sie lechzen nach Bewegung nach der langen Fahrerei der letzten Monate. Die vorgeschlagenen Etappen sind mit 11 bis 25 Kilometern gut in einem Tag machbar, sodass meine Freunde beschliessen keine Campingausrüstung mitzuschleppen, sondern jeden Tag eine Etappe zu wandern und per Autostopp zurück zum Auto zu gelangen. So müssen sie keinen schweren Rucksack tragen, können jeden Abend eine Katzendusche mit dem Wassersack nehmen, schlafen im Auto besser als im Zelt und das Kochen ist im Auto auch viel einfacher als auf dem Campingkocher. Einzig die Zeltromantik geht verloren aber das ist verkraftbar.
Der East Coast Trail (ECT) ist gut ausgebaut. Über sumpfige Stellen sind Holzstege erstellt, über Bäche und Flüsse gibt es Brücken, an steilen Stellen wurden Holztreppen oder Stufen angebracht und an Abzweigungen stehen Wegweiser. Die Küste ist spektakulär mit vielen Steilufern, engen Felsschlitzen, hübschen Buchten und ins Wasser ragenden felsigen Halbinseln. Leider aber realisieren meine Freunde bald, dass man oft im Wald wandert, welcher vielerorts bis dicht ans Ufer wächst. Nur selten gelangt man an einen Aussichtspunkt von dem aus man einen Blick auf die wilde Küste werfen kann. Im Wald ist der Weg voller Wurzeln und Steinen, sodass man genau schauen muss, wo man hintritt und somit ist der Blick ständig nach unten gerichtet. Andreas, der Kartenspezialist, studiert die Wanderkarten sorgfältig und filtert jene Etappen heraus die offeneres Gelände versprechen. Und so kommt es, dass meine Freunde nur die Rosinen herauspicken und nicht den ganzen ECT laufen.
Auch das Wetter spielt plötzlich nicht mehr richtig mit, nachdem, wie uns viele Einheimische versichern, ein ungewöhnlich heisser und sonniger Sommer das 2018 beherrschte. Just jetzt, wo Kathrin und Andreas wandern möchten, setzt immer wieder Regen ein und der Himmel ist meist bedeckt. Die kühleren Temperaturen sind zum Wandern zwar angenehm, aber der trübe Himmel lässt auch manche Aussicht etwas farblos erscheinen. Trotzdem nehmen die zwei fantastische Eindrücke vom ECT mit, welche das Bild vom wilden Neufundland noch bestärken.
Der letzte Reiseabschnitt
Mit der Fähre setzen meine Freunde von Neufundland nach Nova Scotia über, 16 Stunden dauert die Reise, die Distanzen sind riesig in Kanada!
Zehn Tage bleiben, bevor Kathrin und Andreas ihre Reise in Halifax beenden. Eine Rundtour um Cape Breton Island und die Fahrt entlang der Südküste von Nova Scotia geben einen kleinen Eindruck von diesem fast ganz von Meer umgebenen kanadischen Staat. Doch überzeugen kann Nova Scotia meine Freunde nicht. Neufundland hat ihnen ausserordentlich gut gefallen und viele starke Eindrücke hinterlassen, sodass Novia Scotia nun keine Chance mehr hat, sie sonderlich zu begeistern. Die Zeit verstreicht trotzdem wie im Fluge, am 13. September 2018 liefern die beiden den Landcruiser im Hafen von Halifax ab und fliegen noch am selben Abend in die Schweiz. Und das war’s dann…